Bruce’s Boatyard in Faro: Sommerpause für die ‚Passat‘

Von Santa Ponca auf Mallorca bis nach Faro war die Passat 693 vorwiegend gesegelte Seemeilen unterwegs. Für eine Zeit bleibt das Schiff hier in Bruce’s Boatyard an Land. Als nächstes soll das Segelgebiet an der Südküste Portugals weiter erkundet werden.

Der Ausstieg aus dem Wasser war nicht ganz einfach, so als wollte das Meer das Schiff nicht hergeben. Aber wo ein Ziel, da ein Weg. Die Geschichte dazu wird hier in Bildern erzählt.

Ilha da Culatra und Parque Natural da Rio Formosa

Faro, die Hauptstadt der Algarve, wird vom Atlantik getrennt durch eine riesige Lagune, die je nach Tidenstand nahezu im Meer verschwindet bzw. sich als von Kanälen durchzogene Landschaft von Salzdünen, Marschen und Watt darstellt. Das Gebiet ist heute eines der größten Naturschutzgebiete Europas: der Parque Natural da Rio Formosa.

Der Lagune vorgelagert ist eine Inselkette, von der ein Eiland bewohnt ist, die Ilha da Culatra. Etwa 1.000 Einwohner leben dort hauptsächlich vom Fischfang im Atlantik, mittlerweile aber auch durch Tagestouristen, die mit der Fähre kommen. Diese ist die einzige Verbindung zum Festland und sichert auch die gesamte Versorgung der Insel.

Im Bereich der durch die Insel geschützten Gewässer gibt es eine große Wasserfläche zum ankern, die auch bei Niedrigwasser nicht trocken fällt. Dieser Platz ist bei Seglern sehr beliebt, weil er ausgesprochen ursprünglich ist, durch die Nähe des Ortes auf der Insel trotzdem eine gewisse Infrastruktur bietet und außerdem einen quasi exotischen Reiz hat. Vor dem Endpunkt unseres Törns in Faro lagen wir dort mit der Passat drei Tage vor Anker.

Angekommen in der Lagune von Faro

Der starke Wind kommt mit 6 Bft genau von vorne. Die 27 sm von Ayamonte bis in die Lagune von Faro sind deshalb nicht in dem geplanten Zeitfenster zu schaffen. Die Barra Nova (Sandbank) an der Haupteinfahrt zur Lagune kann nur bei einlaufendem Tidenstrom passiert werden, und so gibt es ungewollt eine weitere Nacht auf See.

Das war schon merkwürdig: erst ging es nicht schnell genug, auch mit dem Motor kommen wir nicht gegen die hohe Dünung an. Er stampfte sich sofort fest. Und dann, in der Nacht, versuchten wir möglichst langsam zu segeln, um am Morgen nicht zu früh, sondern zur richtigen Zeit einlaufen zu können. Es hat dann aber alles super geklappt. Die Nacht war sternenklar, der Sonnenaufgang auf See großartig und letztlich war das sehr sportliches Segeln: „Hart am Wind“ mit entsprechender Schräglage, ein schöner Törn-Abschluss.

Bei unserem Ankerplatz hat sich die Natur etwas ganz Neues einfallen lassen: Hinter einer Kette schmaler Sandinseln befindet sich eine Lagune. Sie ist etwa 30 sm lang und 1 bis 5 sm breit. In der Lagune liegen die Häfen Faro und Olhão, zahlreiche befahrbare Kanäle, außerdem viele kleinere Inseln.

Die Lagune von Faro ist sehr speziell. Sie ähnelt den Wattengewässern hinter den ostfriesischen Inseln, ist aber viel reicher an südländisch-strotzendem Leben. Sie ist ein Gezeitengewässer, deshalb liegt bei Niedrigwasser der größte Teil trocken. Bei so manchem Ankerplatz könnte man dann meinen, die Passat würde in einer Pfütze ankern.

Um an Land zu kommen, müssen wir nicht schwimmen, sondern benutzen das Beiboot. Es ist so alt wie die Passat, also 22 Jahre, und noch immer top (bin ganz stolz deswegen). Und auch der kleine Außenborder stammt nicht aus der Familie der „Seekuh“. Habt Ihr davon gehört? John Steinbeck berichtet davon in seinem „Logbuch des Lebens“:

Und wir erkannten: wenn diese dämonischen kleinen Motoren erst den Geschlechtsverkehr und die Fortpflanzung lernen, ist es aus mit der Menschheit. Denn ihr Haß auf uns ist so groß, daß sie so lange warten, planen, organisieren und sich vermehren werden, bis sie uns in einer Schreckensnacht unter Geheul, Geschrei, Gepfeife, Gezisch von der Bildfläche fegen.

Den kompletten, sehr witzigen Abschnitt über seine Erfahrungen mit einem Außenborder gibt es hier.

Flussfahrt mit Schwung: auf dem Rio Guadiana nach Alcoutim

Die Passat war die letzten 20 Jahre im Mittelmeer, und da vor allem in spanischen Gewässern. Hier in Ayamonte, dem letzten Hafen vor Portugal, soll diese Ära für einen längeren Abschnitt zu Ende gehen. Ein wenig Innehalten und langsames Herantasten an die nächste große Seefahrernation kann also nicht schaden. Und was bietet sich da mehr an, als eine Fahrt auf dem Rio Guadiana, dem Grenzfluss zwischen Spanien und Portugal.

Um mit einem Segelschiff einen Fluss zu befahren, müssen drei Voraussetzungen gegeben sein: durchgängig ausreichende Tiefe, keine Brücken, an denen der Mast hängen bleiben könnte, und nicht zu viel Strömung gegen die Fahrtrichtung. All das ist hier der Fall, und so hat der Unterlauf des Rio Guadiana den Ruf eines guten Kontrastprogramms zum Segeln auf dem Atlantik.

Ziel der Reise sind üblicherweise die Orte Sanlúcar de Guadiana, Spanien und Alcoutim, Portugal, die sich 18 SM (ca. 30 km) flussaufwärts direkt gegenüber liegen.

Der Rio Guadiana zieht, aus einem Stausee kommend, zielstrebig nach Süden dem Atlantik zu und durchquert dabei eine hügelige, dünn besiedelte Landschaft. Winzige Dörfer wechseln mit einzelnen Gehöften und Häusern, die durch das meist dichte Schilf hervorlugen, wenn sie nicht auf einer Anhöhe stehen und den Fluss überblicken. Wegen des geringen Gefälles des Flusses dringt die Flut bis weit ins Land vor. Wenn man an der Küste zur richtigen Zeit startet, schiebt einem bereits die Strömung mit mehreren Knoten Geschwindigkeit landeinwärts. Mit ein bisschen Motorunterstützung kommt man so leicht auf 5 – 6 Knoten Geschwindigkeit über Grund.

Da am Tag der Tage auch noch ein kräftiger Südwind wehte, bot es sich an, die Fock, also das Vorsegel, rauszuholen. Flugs bewegte sich die Passat mit sensationellen sieben Knoten flussaufwärts, und nach weniger als drei Stunden kamen beide Dörfer in Sicht.

Hafenhandbücher und sonstige navigatorische Inforationsquellen erzählen übereinstimmend, dass die zwei Orte mittlerweile vernünftige Infrastruktur für Segelboote vorhalten in Form von Schwimmstegen mit Strom- und Wasserversorgung. Insofern bestand nicht nur Hoffnung auf einen dieser Komfortplätze, sondern auch auf ein einigermaßen reges Seglerleben am Steg und in der Hafenkneipe.

Der erste Blick schien der Erwartung Recht zu geben. Der Fluss zwischen beiden Orten war auf größere Strecke voll mit Booten. Selbst in der Mitte, also da, wo die Fahrrinne am tiefsten und am sichersten ist, ankerten Schiffe. Beim zweiten Hinsehen fiel auf, dass nirgendwo Menschen zu sehen waren. Nicht nur das, die Boote schienen eher verlassen, mit Persenning über den Segeln und die Luken verschlossen. Dazu kam, dass die Mehrzahl der Boote einen – vorsichtig ausgedrückt –  reichlich pittoresken Eindruck machte.

Wer eins und eins zusammenzählt, kommt an der Vermutung nicht vorbei, dass sich hier all die sammeln, die die Kosten für einen Liegeplatz in den regulären Häfen an der Küste nicht aufbringen wollen oder können, zumindest so lange wie das Schiff nicht genutzt wird.

Auch die Stege waren auf beiden Seiten voll belegt. Der Anker der Passat fiel exakt in der Mitte des Flusses. Auf die Frage, warum hier und nicht da, wo andere Schiffe liegen, folgte die Feststellung, dass diese Frage auch von der eigenen Ehefrau stammen könnte. Aha, auch nach Jahrzehnten enger Freundschaft lässt sich noch was voneinander lernen.

Das Dingi wurde aufgepumpt, mit dem Außenborder bestückt, und in Richtung Spanien in Bewegung gesetzt. Nach 200 Metern waren wir da. Die Boote am Steg sahen aus, als würden sie seit Monaten da liegen. Es gab Exemplare, bei denen man Angst hätte, dass sich Lawinen von Gerätschaft in den Fluss ergießen, wenn sie so losmachen würden. Angekettete Fahrräder, Grills, Beiboote, Kisten, Zeugs und Gerümpel.

Nun muss man wissen, dass auch Segler nur Menschen sind. Und so gibt es unter ihnen auch die ganz peniblen (die Gartenzwergaufsteller!), die Chaoten und die Messis. Letztere sind gar nicht so selten. Vielleicht erkennt man sie eher, weil der ganze Krempel nicht unter Deck passt. Deshalb sind sie auf Booten auffälliger.

Trotz Freitagabend hatte Sanlúcar etwas von einer Geisterstadt. Außer der völlig leeren Hafenkneipe zeigte sich keinerlei Restaurant, wie auch die Einwohner hinter ihren Türen unsichtbar blieben. Eine schwarze Katze sprang beim Näherkommen von ihrer weißen Mauer und verschwand ebenfalls.

Für einen weiteren Versuch bot sich Portugal an. Schön, wenn Länder sich so nahe sind. Das Dingi tuckerte auch freudig auf den Fluss hinaus. Genau in der Mitte, auf der Grenze, ging allerdings der Motor aus. Da just die Strömung am kentern war, blieben Schiff und Besatzung nahezu unbewegt stehen (dass Strömungen kentern können, wissen wohl hauptsächlich Vollblut-Segler. Aber solange nur die Strömung und nicht das Schiff kentert, soll es recht sein). Nun, das Benzin war alle, und da der Käpt’n schon ahnte, dass es knapp werden könnte, hatte er den Kanister gleich mit eingepackt.

Beim Anlanden in Portugal zeigte sich tatsächlich mehr Leben. Ein Vater saß auf der Hafentreppen und liebkoste sein Baby. Um ihn herum watschelten mehrere Enten, und dann gab es noch einen Mann aus Stein. Das ist die Plastik eines etwas gehetzt ausschauenden Menschen, wohl irgendeinem Sohn des Ortes, dem hier ein Denkmal gesetzt wurde.

Es gab dann aber doch noch mehr. Mehr Menschen, außerdem Katzen und Hunde, und es gab Wahlkampf. Zumindest auf dem Papier in Form von Plakaten für oder gegen die Europawahl. Am interessantesten stellte sich die CDU dar. Zuhause in Deutschland biedere Vertreterin der konservativen Mitte schien sie hier mit Hammer und Sichel sowie einem komplett anderen Programm ihre Chancen am deutlich linken Rand  zu suchen. Vielleich ein Testmarkt? Vorbereitung für denkbaren Stimmungsumschwung in Deutschland? Oder ist das gar nicht mehr Mutti, die hier zu uns spricht? Ein offenes und sympathisch wirkendes Lokal schob die aufkommende Verwirrung in den Hintergrund.

Die Nacht auf dem Schiff mitten im Fluss und auf der Grenze zwischen Spanien und Portugal war eine eigene und angenehme Erfahrung. Mit dem Wechsel der Gezeiten und später auch der Strömung ändert sich alle sechseinhalb Stunden die Fließrichtung. Alle ankernden Boote drehen sich dann langsam um 180 Grad. Die Bewegung des Schiffs ist nicht so ruhig wie meist im Hafen, aber viel gleichmäßiger als auf See. Und das leise Rauschen des Flusses geht gegen Morgen in ein zunehmend lauter werdendes Zwitschern der unzähligen Vögel über.

Gewöhnlich sieht man von einem Segelboot aus entweder nichts außer Horizont, eventuell eine ferne Küste oder unzählige Masten und viele Boote, wenn in Hafen bzw. Marina. Hier schiebt man morgens den Kopf aus der Luke und blickt auf nahe Ufer mit dichtem Bewuchs, weiter unten freundliche Häuser, die sich beidseits die Hänge hochziehen, und sonst nichts, außer einer friedlichen Flusslandschaft.

Es ist wirklich ein Kontrastprogramm, und die Beschränkungen, was das Segeln angeht, sorgen von selbst dafür, dass es die Ausnahme bleibt. Aber es sind diese kleinen Akzente, die die Feinheiten definieren und damit dem Ganzen einen weiteren Spannungsbogen geben.

Umwege erhöhen die Ortskenntnis

Der Atlantik zeigte sich bisher von einer sehr sympathischen Seite mit gutem und nicht zu starkem Wind. Auch die Welle war mäßig und sehr angenehm, abgesehen vom ersten Abschnitt, der noch im Einfluss der Straße von Gibraltar ziemliche Anforderungen stellte.

Weniger schön ist auf der Fahrt nach Ayamonte, dass etwa jede halbe Stunde unser UKW-Telefon klingelt. Die Küstenfunkstelle kündigt abwechselnd Sturm für das Seegebiet Cádiz an und gibt eine PAN PAN Notmeldung durch. Alle Schiffe („All ships, all ships …“) sollen nach einem manövrierunfähigen Boot mit acht Personen an Bord Ausschau halten. Zu diesem Zeitpunkt liegt die Einfahrt in den Rio Guadiana vor uns. Diese Ansteuerung ist nicht ganz einfach. Vor Flusseinfahrten gibt es im Atlantik meist eine Sandbank, also eine Ablagerung von Sand oder Kies am Grund, gebildet durch die Tide und Strömung.

Bei Wind gegen Tidenstrom (bei ablaufendem Wasser und Seegang) bricht die See vor der Einfahrt, und dann kann die auf der Sandbank entstehende Welle ein Schiff zum Kentern bringen (siehe: An Land gespült). Man muss mit einlaufender Welle, also bei Flut, die Sandbank passieren. Zudem gibt es Untiefen, an denen bei Niedrigwasser die „Handbreit unterm Kiel“ fehlen würde.

Diese Kombination aus Warnmeldungen des UKW und die bevorstehende Flusseinfahrt zerrt an meinen Nerven. Stimmen die Berechnungen für die Tide? Wie vertrauenswürdig sind die Tidenzeiten aus dem iPhone/iPad? Wie stark ist die Strömung an der engen Hafeneinfahrt, vor der das Hafenhandbuch warnt?

Letztlich ist dann alles unproblematisch. Die Bedingungen sind gut bzw. an der Einfahrt zum Rio Guadiana hat es wenig Wind und Welle. Trotzdem, die bevorstehende „Atlantik-Pause“ in Form von Hafentagen und einer geplanten Flussfahrt kommt jetzt genau zur richtigen Zeit.

Kleine Anekdote am Rande: Bei der Anmeldung im Hafenbüro liegen Kopien der aktuellen Tidenzeiten aus. Klasse! denkt der Segler, jetzt kann ich meine Angaben aus dem iPad mal vergleichen mit „offiziellen“ Werten. Beim genaueren Hinschauen steht dann am oberen Rand des DIN A4 Blatts die Überschrift: Tides for iPhone.

Der Rio Guadiana bildet in seinem Unterlauf die Grenze zwischen Spanien und Portugal. Etwa 3 SM oberhalb der Mündung gibt es zwei Häfen zur Auswahl, backbord einen portugiesischen und steuerbord einen spanischen. Die Entscheidung fällt für die rechte Seite, die Kleinstadt Ayamonte (20 Tsd. Einw.). Der Ort erinnert mit seinen weiß getünchten Häusern an Griechenland, und tatsächlich soll er griechische Wurzeln haben. Behauptet zumindest das Tourismusbüro. Eine freundliche Mitarbeiterin nimmt sich viel Zeit und gibt ausführlich Tipps für Unternehmungen.

Der erste Besuch geht dann mit Miet-Fahrrädern zu einer Gezeitenmühle. Hier lief bei Flut das Wasser in ein Reservoir, aus dem es bei Ebbe nur durch die Mühle wieder herauskam. Auch hier wird deutlich, wie wenige Touristen erst unterwegs sind. Die junge „Mühlenwärterin“ ist richtig glücklich über den seltenen Besuch, auch wenn sie anfangs scherzt und 30 Euro Eintritt für das Gratisticket nennt.

Im Unterschied zu den letzten Stopps hat Ayamonte noch einen weiteren großen Vorteil. Es ist keine künstliche, halb leerstehende Urbanisation, sondern endlich mal wieder ein richtiger Ort mit guten Lebensmittel-Geschäften und sogar einer Markthalle. Hier macht das Einkaufen und das anschließende Kochen bzw. Grillen an Bord wieder Spaß.

Zur Zeit herrscht Vollmond und damit Springzeit, also besonders hohes Hoch- und Niedrigwasser. Damit verbunden ist ein entsprechend starker Tidenstrom, der uns schnell 18 Seemeilen den Rio Guadiana flussaufwärts schieben soll. Denn Umwege erhöhen die Ortskenntnis: bevor es weiter nach Faro geht, stehen noch Sanlúcar de Guadiana auf der spanischen und Alcoutim auf der gegenüberliegenden portugiesischen Flußseite auf dem Besuchsprogramm.

Cádiz, Stadt mit Wärme und Weitblick

In  mancher Hinsicht sind Städte wie Menschen. Beide teilen sich Äußerlichkeiten wie sauber, hässlich, hektisch oder gepflegt etc.. Interessanter sind aber Merkmale, die nicht gleich ins Auge fallen. So können Städte auch eine Ausstrahlung haben, und Cádiz ist so eine Stadt mit Ausstrahlung.

Woran sich das festmachen lässt? Keine einfache Frage. Aber kennt das nicht jeder? Man kommt irgendwo an, versucht sich zu orientieren, geht ein wenig durch die Straßen, und im besten Fall stellt sich so eine Art Wohlgefühl ein. Hier würde ich gerne eine Weile bleiben, ist dann der nächste Gedanke. So ging es uns mit Cádiz. Ein paar Monate auf dem Schiff oder in einer Pension wohnen, Spanischkurs machen, sich treiben lassen, und und … Aber der Reihe nach!

Cádiz ist eine wirklich alte Stadt im alten Europa. Jahreszahlen lassen wir hier weg, aber im Mittelalter war die Historie schon lang. Ihre Lage weckte die Begehrlichkeiten. Sie ist nahezu vollständig vom Wasser umgeben. Im Westen der Atlantik, und im Osten ein riesiges, lagunenartiges Gewässer: die Bucht von Cádiz. In der Konsequenz bedeutete das große Schwierigkeiten für Neider und Feinde, da hin und vor allem hinein zu gelangen, andererseits bietet das ideale Möglichkeiten für die Schifffahrt inklusive eines sicheren Naturhafens. Wie so oft waren es dann die Kaufleute, die sich hier in großer Zahl niederließen und regen Handel mit fremden Ländern und den eigenen Überseekolonien insbesondere in Amerika betrieben.

In der heutigen Zeit wird Alter und Beschränktheit in Fläche zum Segen. Es bleibt kaum eine Chance für korrupte Bauunternehmer, Stadtplaner und Architekten, signifikante Bausünden zu begehen, wie sonst überall in Spanien. Irgendwie haben die es zwar trotzdem hingekriegt, im inneren Bereich der Markthalle von Cádiz, die die älteste in ganz Spanien ist, einen Kasten hinzusetzen, der den Charme eines Lok-Schuppens hat. Wie lange er es schafft, nicht zusammen zu fallen, ist nochmals eine andere Frage. Und es sind gottseidank Einzelfälle. Ansonsten zeigt sich die Altstadt erfreulich homogen und geschlossen.

Aus der Perspektive des Fußgängers gesehen fallen zunächst ein paar Konstanten auf. An fast allen Häusern finden sich die alten Straßenlaternen und außerdem kleine vorspringende Erker, die ausschauen wie  sehr schmale Balkone, welche man nachträglich mit Holzverkleidungen zu etwas gemacht hat, was gemeinhin unter dem Begriff „Wintergarten“ läuft. Die mit Kopfsteinen gepflasterten Straßen sind eng, es passt gerade ein Auto durch, öffnen sich aber oft ganz überraschend zu großen und großzügigen Plätzen. Eine sehr gelungene Dialektik im Städtebau wurde da vor mehr als Tausend Jahren gepflegt, von der sich mancher Stadtplaner heute was abschauen könnte.

Was aber das wirklich Besondere an Cádiz ist, eröffnet sich dem ahnungslosen Reisenden erst auf den zweiten Blick, nämlich dem über die Dächer. Auf der Liste der wichtigsten Sehenswürdigkeiten (ja, so was lesen wir verschämt auch) steht der Torre Tavira, der dank seines Standpunktes auf der höchsten Erhebung von Cádiz von enormen 45 Metern zu einem der drei historischen Wachtürmen der Stadt gehört. Und von da aus gesehen zeigt sich Erstaunliches. Die Dächer der Altstadt sind gespickt mit Türmen!

Die Handelsleute im Mittelalter waren natürlich erpicht, möglichst frühzeitig Kenntnis von der bevorstehenden Ankunft ihrer Schiffe zu bekommen. Was lag da näher, als einen Aussichtsturm aufs traditionelle Flachdach zu bauen, von dem man bis zum Horizont schauen konnte. Schon bald zierte nahezu jedes Haus ein solcher Turm, wobei es unterschiedliche Typen gab. Nur Turm, Turm mit Türmchen, Turm mit Terrasse und Kombinationen aus allem. Heute existieren noch 126 dieser alten Türme, die der Silhouette der Stadt eine einmaliges Gepräge geben.

In diesem schönen Ambiente wohnen, so scheint es, zufriedene Menschen. Die Bevölkerung besteht aus einem guten Mix von Einheimischen, Studenten und einer überschaubaren Menge an Touristen, diese vor allem von Kreuzfahrtschiffen. Die männlichen Gatidanos – so nennen sich die Einwohner von Cádiz – haben Zeit zum Angeln und einem angelegentlichen Schläfchen auf öffentlichen Bänken (ob freiwillig oder nicht, ist eine ganz andere Frage). Abends füllen sich die Plätze mit Familien inklusive einer unendlichen Menge von Kindern, und hier wird offensichtlich, dass gute Laune und Fröhlichkeit in der aktuellen Wirtschaftskrise noch nicht völlig abhanden gekommen sind. Das lässt diese Stadt ihre Besucher spüren, und das macht sie so warm und sympathisch.

Good Times in Gibraltar: Pizza im Nebel und Affen auf dem Fels

Gibraltar. Dichter Bodennebel über dem Wasser. Wir haben kein Radar an Bord. Vielleicht ist der Nebel nur lokal? Ich mache einen VHF-Anruf bei Tariffa Traffic. Das ist die Verkehrsleitzentrale für die Straße von Gibraltar. Sie warnen uns, die Straße unter diesen Bedingungen zu passieren: „Captain, please stay and have a good time in Gibraltar – all over the street is dense fog.“

Wenigstens am Felsen reißt der Nebel später auf und wir können das Gibraltar-Touristen-Standard-Programm angehen. Vor den Affen wird gewarnt. Mitunter sollen sie beißen oder den Touristen Fotoapparate aus der Hand reißen. Tatsächlich sind sie dann aber eher brav.

Seit Málaga ist der Bordgrill mit einem Pizzastein ausgerüstet. Am Abend erlebt dieser dann seine Premiere.

Fuengirolas zombiefreie Zonen: Speakeasy Jazz Club & Cocktails

Fuengirola gehört zusammen mit Torremolinos zu den Touristenhochburgen im Dunstkreis Malagas, wobei der Begriff Tourist weiter zu fassen ist, weil viele der Nichtspanier, sogenannte Residentes, hier ansässig sind. Die lokale Wirtschaft hat sich diesem Umstand völlig hingegeben.

Der Kopfsteg des Hafens, den sich die hiesigen Fischer mit den Pleasureboats teilen, ist durchgängig mit Lokalen besiedelt. Da finden sich heimatgeschwängerte Kneipen wie das Ku-Damm neben dem Schnitzelhaus, aber auch die Briten haben ihre Häuser in Form des Goulash House und die Karma Irish Bar. Liebhaber des noch Exotischeren haben die Wahl zwischen der Caribbean Mermaid und dem Royal Marrakesh. Die Wirte sehen überall weder karibisch noch orientalisch aus, sondern eher handfest.

In vielen dieser Etablissements sitzen morgens ab 10 Uhr ältere Paare. Der männliche Part gerne nur mit Shorts bekleidet und noch lieber mit Blick auf den ersten Aufheller in Form von Bier oder Brandy. Das ist der Prototyp. Die Variationen sind groß. Diese Auftritte haben etwas zombiehaftes, und ohne jemanden wirklich beleidigen zu wollen hat sich bei uns auf dem Schiff dieser Begriff schnell fest etabliert. Um Missverständnissen vorzubeugen: Fuengirola besteht keineswegs nur aus Zombies, aber die Dichte nimmt auf den letzten 500 Metern Richtung Meer dramatisch zu.  Stellt sich die Frage: warum? – wir? – hier?

Der Hafen ist bewacht, sicher und per Bahn direkt an den Flughafen Malaga angebunden, der uns als Absprung für den kurzen Deutschlandurlaub dient. Das war das Auswahlkriterium, und damit leben wir jetzt. Und gar nicht schlecht, denn – wie auch der erfahrene Reisende weiß – in jeder Krise liegt eine Chance.

Es gibt zombiefreie Zonen in Fuengirola, man muss sie nur finden wollen. Und fairerweise muss man differenzieren: in jedem touristisch ausgebeuteten Ort definieren die Einheimischen IHRE Bereiche. Es gibt selbst auf Mallorca viele Ecken, wohin sich kaum ein Fremder verirrt. So auch in Fuengirola. Die echte Herausforderung aber ist, solche Stellen da zu finden, wo man sie nicht erwartet. Des Rätsels Lösung? Gehe dorthin, wo der gute Geschmack ist. Gehe hin, wo die Menschen Jazz hören.

Unweit des Hafens in einem Einkaufsviertel mixt im Souterrain eines unscheinbaren Gebäudes Elias Bentolila Edery die wohl besten Cocktails an der Costa del Sol. In Anlehnung an die Zeiten der amerikanischen Prohibition in den 1920ern nennt sich seine Bar „Speakeasy“ und ist auch von Einrichtung und Ambiente entsprechend orientiert. Elias, der im übrigen 2011 Mix Master Champion in Dublin war, schmeißt den Laden nur mit Hilfe seiner Assistentin. Die Räume sind aber auch überschaubar, was den Vorteil hat, dass man nahezu von jedem Platz (es gibt Sofas) dem Meister bei seinen manchmal akrobatischen Künsten zusehen kann.

Die Cocktails – selbst die alkoholfreien –  sind köstlich, jeder auch optisch eine Sensation und preislich völlig auf dem Boden. Die Musik tut ein übriges, sich auf einer Wolke des Wohlgefühls wegtragen zu lassen. Jazz vom feinsten und mehrmals die Woche auch live. Bei unserem Besuch spielten drei lokale Musiker Jazzstandards, und es war wunderbar, eine circa achtzigjährige Dame zu beobachten, die schon beim Betreten der Bar mit ihren beiden mindestens ebenso alten Begleitern in einen Tanzschritt verfiel und auch weiterhin enthusiastisch der Musik ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte.

 

 

Granada: die Alhambra in neuen Bildern

Starkwind lässt uns länger in Almeria verweilen. Zeit, das Hinterland Andalusiens zu erkunden. Granada ist voller Menschen, die die Alhambra besichtigen. Da tun sich ganz erstaunliche Bilder auf. Worte sind nicht nötig.

Fort Bravo: High Noon in Andalusien

Gut 20 km nördlich von Almeria liegt das Örtchen Tabernas, welches auch der nahen Wüste den Namen gab: Desierto de Tabernas. Diese Landschaft ist dem Klischee des Wilden Westens so aus dem Gesicht geschnitten, dass schon vor 50 Jahren hier die Außenaufnahmen für Western gedreht wurden. Als Kulisse entstanden komplette Ortschaften mit den obligatorischen Saloons, Hotels, Sargtischlern und Banken. Das schönste Gebäude ist – wie im richtigen Leben – die Bank, und das Logo am oberen Fries stimmt auch schon beinahe.

Das interessanteste dieser Kulissen-Dörfer ist Fort Bravo. Hier würde man vieles sofort wiedererkennen, hätte man in den Filmen mehr auf das Setting geachtet. Teile von Vier Fäuste für ein Halleluja, The Good, the Bad and the Ugly, Indiana Jones, Die Daltons gegen Lucky Luke bis zum Schuh des Manitu entstanden hier, und das ist nur ein winziger Ausschnitt aus Hunderten von Produktionen. Einen Aha-Effekt für den Western-Freund gibt es auf jeden Fall: am Ortsrand steht der Galgen aus Spiel mir das Lied vom Tod, wobei dieser ein steinerner Rundbogen ist – scheinbar steinern, so lange man mindestens zehn Meter Abstand hält.

Die Kulissen werden nach wie vor genutzt, mitunter auch für Werbespots wie der von Pepsi Cola mit den Spielern von Real Madrid, aber das Genre ist nicht mehr so angesagt wie in den 60ern, als die sogenannten Spaghetti Western zum täglichen Brot des Kinogängers zählten. Und so dürfen in den jetzt länger werdenden Drehpausen die Touristen durch die staubigen Straßen streifen. Hochzeiten sind hier möglich oder schlimmstenfalls auch Firmenevents.

Bei unserem Besuch waren wir fast die einzigen. Ein Pärchen stand noch verloren vor dem Sheriff’s Office, und der Cola-Vertreter saß im Saloon (einem der wenigen begehbaren Gebäude) und nahm eine Bestellung auf. Ein gutes Zeichen, die Saison naht.