Umwege erhöhen die Ortskenntnis

Der Atlantik zeigte sich bisher von einer sehr sympathischen Seite mit gutem und nicht zu starkem Wind. Auch die Welle war mäßig und sehr angenehm, abgesehen vom ersten Abschnitt, der noch im Einfluss der Straße von Gibraltar ziemliche Anforderungen stellte.

Weniger schön ist auf der Fahrt nach Ayamonte, dass etwa jede halbe Stunde unser UKW-Telefon klingelt. Die Küstenfunkstelle kündigt abwechselnd Sturm für das Seegebiet Cádiz an und gibt eine PAN PAN Notmeldung durch. Alle Schiffe („All ships, all ships …“) sollen nach einem manövrierunfähigen Boot mit acht Personen an Bord Ausschau halten. Zu diesem Zeitpunkt liegt die Einfahrt in den Rio Guadiana vor uns. Diese Ansteuerung ist nicht ganz einfach. Vor Flusseinfahrten gibt es im Atlantik meist eine Sandbank, also eine Ablagerung von Sand oder Kies am Grund, gebildet durch die Tide und Strömung.

Bei Wind gegen Tidenstrom (bei ablaufendem Wasser und Seegang) bricht die See vor der Einfahrt, und dann kann die auf der Sandbank entstehende Welle ein Schiff zum Kentern bringen (siehe: An Land gespült). Man muss mit einlaufender Welle, also bei Flut, die Sandbank passieren. Zudem gibt es Untiefen, an denen bei Niedrigwasser die „Handbreit unterm Kiel“ fehlen würde.

Diese Kombination aus Warnmeldungen des UKW und die bevorstehende Flusseinfahrt zerrt an meinen Nerven. Stimmen die Berechnungen für die Tide? Wie vertrauenswürdig sind die Tidenzeiten aus dem iPhone/iPad? Wie stark ist die Strömung an der engen Hafeneinfahrt, vor der das Hafenhandbuch warnt?

Letztlich ist dann alles unproblematisch. Die Bedingungen sind gut bzw. an der Einfahrt zum Rio Guadiana hat es wenig Wind und Welle. Trotzdem, die bevorstehende „Atlantik-Pause“ in Form von Hafentagen und einer geplanten Flussfahrt kommt jetzt genau zur richtigen Zeit.

Kleine Anekdote am Rande: Bei der Anmeldung im Hafenbüro liegen Kopien der aktuellen Tidenzeiten aus. Klasse! denkt der Segler, jetzt kann ich meine Angaben aus dem iPad mal vergleichen mit „offiziellen“ Werten. Beim genaueren Hinschauen steht dann am oberen Rand des DIN A4 Blatts die Überschrift: Tides for iPhone.

Der Rio Guadiana bildet in seinem Unterlauf die Grenze zwischen Spanien und Portugal. Etwa 3 SM oberhalb der Mündung gibt es zwei Häfen zur Auswahl, backbord einen portugiesischen und steuerbord einen spanischen. Die Entscheidung fällt für die rechte Seite, die Kleinstadt Ayamonte (20 Tsd. Einw.). Der Ort erinnert mit seinen weiß getünchten Häusern an Griechenland, und tatsächlich soll er griechische Wurzeln haben. Behauptet zumindest das Tourismusbüro. Eine freundliche Mitarbeiterin nimmt sich viel Zeit und gibt ausführlich Tipps für Unternehmungen.

Der erste Besuch geht dann mit Miet-Fahrrädern zu einer Gezeitenmühle. Hier lief bei Flut das Wasser in ein Reservoir, aus dem es bei Ebbe nur durch die Mühle wieder herauskam. Auch hier wird deutlich, wie wenige Touristen erst unterwegs sind. Die junge „Mühlenwärterin“ ist richtig glücklich über den seltenen Besuch, auch wenn sie anfangs scherzt und 30 Euro Eintritt für das Gratisticket nennt.

Im Unterschied zu den letzten Stopps hat Ayamonte noch einen weiteren großen Vorteil. Es ist keine künstliche, halb leerstehende Urbanisation, sondern endlich mal wieder ein richtiger Ort mit guten Lebensmittel-Geschäften und sogar einer Markthalle. Hier macht das Einkaufen und das anschließende Kochen bzw. Grillen an Bord wieder Spaß.

Zur Zeit herrscht Vollmond und damit Springzeit, also besonders hohes Hoch- und Niedrigwasser. Damit verbunden ist ein entsprechend starker Tidenstrom, der uns schnell 18 Seemeilen den Rio Guadiana flussaufwärts schieben soll. Denn Umwege erhöhen die Ortskenntnis: bevor es weiter nach Faro geht, stehen noch Sanlúcar de Guadiana auf der spanischen und Alcoutim auf der gegenüberliegenden portugiesischen Flußseite auf dem Besuchsprogramm.