Wieder im Atlantik: stürmische Passage durch die Straße von Gibraltar

Unsere Borduhr hat vier Zeiger (Bild1). Zwei schwarze für Stunden und Minuten, einen roten für die Sekunden und einen dickeren, blauen, für? Was meint ihr? Kleiner Tipp: er läuft etwas schneller als der Stundenzeiger …  Richtig, das ist die Anzeige für Ebbe und Flut. Diesen beiden gilt jetzt wieder erhöhte Aufmerksamkeit, und neben den Windprognosen bestimmen die Tiden hier im Atlantik unsere Törnplanung.

Auf dem iPhone bzw. iPad ist so eine Tidenuhr noch etwas schicker (Bild 2). Diese App gibt uns zusätzlich die Informationen über die mondabhängige Spring- bzw. Nippzeit, also über hohes oder niedriges Hoch- bzw. Niedrigwasser. In der Lagune von Faro, wo wir bald ankern werden, gibt es öfters Passagen, die dann entweder wie kleine Inseln aus dem Wasser schauen oder vom Wasser noch bedeckt sind (Bild 3). Das Wracksymbol auf der Karte ist ja nicht zu übersehen, und davon gibt es einige in diesem wattähnlichen Gebiet. Der Seglergruß „immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel“ wurde bestimmt hier erfunden.

Der letzte Törnabschnitt von Gibraltar über Barbate nach Cadiz war unser Wechsel vom Mittelmeer in den Atlantik. Für ein kleines Segelboot kann die Strecke durch die Straße von Gibraltar (insbesondere in dieser Richtung) zum Problem werden. Es gibt in der Meerenge zwischen Afrika und Europa einen nach Osten setzenden Strom. Aufgrund der Verdunstung im Mittelmeer fließt ständig Wasser vom Atlantik nach. Außerdem weht der Wind hier meistens aus westlicher Richtung, und dies häufig in Sturmstärke. Wie in einer Düse – der engste Teil der Straße ist gerade einmal acht Meilen breit – verstärkt sich der Wind in der Meerenge um zwei Beaufort. Will man dann dagegen ansegeln, also gegen Wind und Strom, hat man meist keine Chance.

Seit ein paar Tagen lese ich das Buch „Zu fernen Küsten“ (Danke für den Tipp, Reiner). Der Autor E.C. Hiscock beschreibt darin, wie er vor Jahren versuchte, diese Strecke zu bewältigen.

„Wir verließen zusammen den Yachthafen und motorten fünf Meilen weiter unter der Küste bis zu dem Osteingang der Straße, wo wir auf einen starken Westwind trafen. Wir refften das Großsegel, wechselten zur kleinen Fock und versuchten hindurchzukreuzen. Nach einem Schlag in die Mitte, wo eine rauhe See lief, und einem zweiten zurück zur Nordküste, mussten wir aber feststellen, dass wir zurückgetrieben worden waren. Wir gaben es auf und segelten zurück.“

Im Lauf der folgenden Tage versuchte er es weitere sieben Mal … „wir versuchten es bei Tag und wir versuchten es bei Nacht; wir versuchten es unter Segel, unter Motor und Segel, und wir versuchten es sogar unter Motor allein; vergeblich, es war nicht dagegen anzukommen.“ … bevor er es endlich schaffte.

Im Unterschied zu Hiscock warteten wir auf Ostwind und nutzten den Strom. In Küstennähe überwindet die nach Westen laufende Tidenströmung den Oststrom; um daraus Vorteile zu ziehen, muss man sich jedoch nahe an der Küste halten, der Felsen vorgelagert sind. Dank unserer Navigation mithilfe des iPads (Plotter) war dies kein Problem. Den nach Westen laufenden Tidenstrom konnten wir gut nutzen. Hiscock dagegen war sich seines genauen Standorts nie ganz sicher. Auch wegen der Strömung, die ihn ständig versetzte, musste er vorsichtiger sein.

Dank des Ostwinds konnten wir die Straße auch unter Segeln schnell und im ersten Anlauf passieren. Allerdings warnte bereits in der Bucht von Gibraltar Tarifa Traffic Radio vor Starkwind. Zu diesem Zeitpunkt war der Wind eher flau, und wir setzten ungerefft das Großsegel. Vor Tarifa erreichte der Wind dann tatsächlich über 30 Knoten (7 Beaufort – selbst gemessen!). Spätestens jetzt mussten wir das Groß bergen. Keine einfache Aufgabe bei der sehr bewegten See.

Warum bin ich nicht beim ursprünglichen Plan geblieben? Auch unter der bis auf einen kleinen Lappen eingerollten Genua segelten wir letztlich mit viel Speed.

Mittlerweile sind wir in Cádiz und froh über die anstehenden Hafentage in dieser schönen Stadt. Unser Navtex meldet gerade eine Gale Warning (letztes Bild) für die Straße von Gibraltar. Wir hatten also viel Glück mit unserem Zeitfenster – ohne Nebel, ohne Westwind und mit Starkwind – aber nicht wirklichem Sturm – aus Osten.

7 Kommentare
  1. Gabi
    Gabi sagte:

    Hallo, Ihr beiden,

    das Video stand ziemlich still, als ich es angucken wollte, hat aber beeindruckende Geräusche von sich gegeben. Und mir haben die Fotos und die „Stills“ für eine leises Gefühl von Seekrankheit gereicht. (Ich will aber unbedingt alle weiteren Benachrichtigungen!) Und apropos i-pad: Ich gehe davon aus, dass Eure Sinne reichlich beansprucht werden, und die haben auch was mit dem Hirn zu tun. Also keine Angst vor Hirnlosigkeit!

    Herzliche Grüsse
    Gabi

    • Claus Gottschall
      Claus Gottschall sagte:

      Hallo Gabi, du hast wohl recht, mit der „Hirnlosigkeit“ habe ich übertrieben (ist jetzt auch gelöscht). Die Frage, ob wir mehr und mehr eigene Fähigkeiten verlieren, wenn wir viel den iPad’s überlassen, stellt sich mir aber schon. Beim Video musst Du etwas warten, bis es geladen ist. Aber Du bist doch mit einen Experten verheiratet.
      Cádiz gefällt uns sehr gut und wir verlängern unseren Aufenthalt hier. Warte auf dem Boot gerade auf einen Monteur. Die Seewasserpumpe muss repariert werden. Stucky ist in der Stadt auf Fototour. Schön, dass Du trotz Anzeichen von Seekrankheit den Blog weiter lesen wirst.

  2. Marion
    Marion sagte:

    Guten Morgen, das war nicht ohne! Aber die Herausforderungen meistert ihr ja inzwischen mit viel Erfahrung und als eingespieltes Team . Dank der hervorragenden Technik an Bord muss man sich noch weniger Sorgen machen. Stucky, bei der 7 von hinten hätte dir eine Schwimmweste gut gestanden, oder harmonisierte die orangefarbene Schwimmweste nicht dem schönen Rot deines T-Shirts? Viel Spaß in Cádiz ,da waren Claus und ich vor einigen Jahren,mir hat es dort gut gefallen. Freue mich auf die Fotos.

    Segel hoch!
    Marion

  3. eva
    eva sagte:

    Ich bin sehr beeindruckt, auf welchen Wasserbergen ihr da rumgeschwapst seid! Gottlob sieht „der Mann am Steuer“ zwar sehr konzentriert, aber doch noch relativ cool aus… Wie lange habt ihr fuer die Durchfahrt gebraucht? Und was ist das fuer eine App auf dem ipad, die euch beim Naviegieren hilft? Sagt die auch so wie die Auto- oder Fussgaenger-App anhand eines blauen Bands: „bitte die naechste Strasse rechts , dann 2 Km geradeaus und die naechste Strasse links? Ich mache natuerlich Spass! Aber auf den Fotos kann ich (totaler Laie) keine praezisen Anhaltspunkte erkennen….
    Jedenfalls ist der Bericht sehr spannend, nicht zuletzt aufgrund der dramaturgisch fein abgestimmten und vorausgeschickten Erlebnisse von Mr Hiscock.

    • Claus
      Claus sagte:

      Hallo Eva, vielen Dank für Dein Lob. Mit dem Wind haben wir für die Durchfahrt ( Gibraltar-Tariffa) nur ca. 4 Stunden gebraucht. Auf dem iPad nutzen wir verschiedene Navigations Apps und im Prinzip sind diese ähnlich wie ein Navi im Auto, nur ohne Ton bzw. Stimme, welche die Strecke ansagt. Manchmal frage ich mich schon ob wir uns selbst zu wenig fordern, wenn wir unsere iPads mit diversen Segel Apps häufig einsetzen? Verlieren wir dadurch immer mehr eigene Fähigkeiten?

      Letztlich sehe ich die „iPad-Unterstützung“ aber positiv. Vielleicht erfassen wir unsere Umgebung nicht gleich intensiv wie Hiscock, der irgendwann sicher jeden Baum an der Küste kannte. Dem gegenüber bringt die neue Technik aber auch unzählige Vorteile, nicht zuletzt mehr Sicherheit. Fatal wäre es aber nur noch auf das Tablett zu starren und damit das eigene Gehirn extern auszulagern. Zugegeben, im Auto verlasse ich mich manchmal komplett auf das Navi, aber hier auf dem Schiff bestimmt nicht.

      Von den hohen Wellen, die uns auch etwas Angst gemacht haben, gibt es auch ein Video. Das wird am Nachmittag nachgereicht.

  4. Heike
    Heike sagte:

    Herrliche Berichte, tolle Fotos, immer wieder eine nette Abwechslung und auch ein bisschen beneidenswert :-). Aber wir hatten auch eine tolle Zeit in Deutschland, auf dem Festland…

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