Blog – B-Log – Log-Buch

Bruce’s Boatyard in Faro: Sommerpause für die ‚Passat‘

Von Santa Ponca auf Mallorca bis nach Faro war die Passat 693 vorwiegend gesegelte Seemeilen unterwegs. Für eine Zeit bleibt das Schiff hier in Bruce’s Boatyard an Land. Als nächstes soll das Segelgebiet an der Südküste Portugals weiter erkundet werden.

Der Ausstieg aus dem Wasser war nicht ganz einfach, so als wollte das Meer das Schiff nicht hergeben. Aber wo ein Ziel, da ein Weg. Die Geschichte dazu wird hier in Bildern erzählt.

Ilha da Culatra und Parque Natural da Rio Formosa

Faro, die Hauptstadt der Algarve, wird vom Atlantik getrennt durch eine riesige Lagune, die je nach Tidenstand nahezu im Meer verschwindet bzw. sich als von Kanälen durchzogene Landschaft von Salzdünen, Marschen und Watt darstellt. Das Gebiet ist heute eines der größten Naturschutzgebiete Europas: der Parque Natural da Rio Formosa.

Der Lagune vorgelagert ist eine Inselkette, von der ein Eiland bewohnt ist, die Ilha da Culatra. Etwa 1.000 Einwohner leben dort hauptsächlich vom Fischfang im Atlantik, mittlerweile aber auch durch Tagestouristen, die mit der Fähre kommen. Diese ist die einzige Verbindung zum Festland und sichert auch die gesamte Versorgung der Insel.

Im Bereich der durch die Insel geschützten Gewässer gibt es eine große Wasserfläche zum ankern, die auch bei Niedrigwasser nicht trocken fällt. Dieser Platz ist bei Seglern sehr beliebt, weil er ausgesprochen ursprünglich ist, durch die Nähe des Ortes auf der Insel trotzdem eine gewisse Infrastruktur bietet und außerdem einen quasi exotischen Reiz hat. Vor dem Endpunkt unseres Törns in Faro lagen wir dort mit der Passat drei Tage vor Anker.

Angekommen in der Lagune von Faro

Der starke Wind kommt mit 6 Bft genau von vorne. Die 27 sm von Ayamonte bis in die Lagune von Faro sind deshalb nicht in dem geplanten Zeitfenster zu schaffen. Die Barra Nova (Sandbank) an der Haupteinfahrt zur Lagune kann nur bei einlaufendem Tidenstrom passiert werden, und so gibt es ungewollt eine weitere Nacht auf See.

Das war schon merkwürdig: erst ging es nicht schnell genug, auch mit dem Motor kommen wir nicht gegen die hohe Dünung an. Er stampfte sich sofort fest. Und dann, in der Nacht, versuchten wir möglichst langsam zu segeln, um am Morgen nicht zu früh, sondern zur richtigen Zeit einlaufen zu können. Es hat dann aber alles super geklappt. Die Nacht war sternenklar, der Sonnenaufgang auf See großartig und letztlich war das sehr sportliches Segeln: „Hart am Wind“ mit entsprechender Schräglage, ein schöner Törn-Abschluss.

Bei unserem Ankerplatz hat sich die Natur etwas ganz Neues einfallen lassen: Hinter einer Kette schmaler Sandinseln befindet sich eine Lagune. Sie ist etwa 30 sm lang und 1 bis 5 sm breit. In der Lagune liegen die Häfen Faro und Olhão, zahlreiche befahrbare Kanäle, außerdem viele kleinere Inseln.

Die Lagune von Faro ist sehr speziell. Sie ähnelt den Wattengewässern hinter den ostfriesischen Inseln, ist aber viel reicher an südländisch-strotzendem Leben. Sie ist ein Gezeitengewässer, deshalb liegt bei Niedrigwasser der größte Teil trocken. Bei so manchem Ankerplatz könnte man dann meinen, die Passat würde in einer Pfütze ankern.

Um an Land zu kommen, müssen wir nicht schwimmen, sondern benutzen das Beiboot. Es ist so alt wie die Passat, also 22 Jahre, und noch immer top (bin ganz stolz deswegen). Und auch der kleine Außenborder stammt nicht aus der Familie der „Seekuh“. Habt Ihr davon gehört? John Steinbeck berichtet davon in seinem „Logbuch des Lebens“:

Und wir erkannten: wenn diese dämonischen kleinen Motoren erst den Geschlechtsverkehr und die Fortpflanzung lernen, ist es aus mit der Menschheit. Denn ihr Haß auf uns ist so groß, daß sie so lange warten, planen, organisieren und sich vermehren werden, bis sie uns in einer Schreckensnacht unter Geheul, Geschrei, Gepfeife, Gezisch von der Bildfläche fegen.

Den kompletten, sehr witzigen Abschnitt über seine Erfahrungen mit einem Außenborder gibt es hier.

Flussfahrt mit Schwung: auf dem Rio Guadiana nach Alcoutim

Die Passat war die letzten 20 Jahre im Mittelmeer, und da vor allem in spanischen Gewässern. Hier in Ayamonte, dem letzten Hafen vor Portugal, soll diese Ära für einen längeren Abschnitt zu Ende gehen. Ein wenig Innehalten und langsames Herantasten an die nächste große Seefahrernation kann also nicht schaden. Und was bietet sich da mehr an, als eine Fahrt auf dem Rio Guadiana, dem Grenzfluss zwischen Spanien und Portugal.

Um mit einem Segelschiff einen Fluss zu befahren, müssen drei Voraussetzungen gegeben sein: durchgängig ausreichende Tiefe, keine Brücken, an denen der Mast hängen bleiben könnte, und nicht zu viel Strömung gegen die Fahrtrichtung. All das ist hier der Fall, und so hat der Unterlauf des Rio Guadiana den Ruf eines guten Kontrastprogramms zum Segeln auf dem Atlantik.

Ziel der Reise sind üblicherweise die Orte Sanlúcar de Guadiana, Spanien und Alcoutim, Portugal, die sich 18 SM (ca. 30 km) flussaufwärts direkt gegenüber liegen.

Der Rio Guadiana zieht, aus einem Stausee kommend, zielstrebig nach Süden dem Atlantik zu und durchquert dabei eine hügelige, dünn besiedelte Landschaft. Winzige Dörfer wechseln mit einzelnen Gehöften und Häusern, die durch das meist dichte Schilf hervorlugen, wenn sie nicht auf einer Anhöhe stehen und den Fluss überblicken. Wegen des geringen Gefälles des Flusses dringt die Flut bis weit ins Land vor. Wenn man an der Küste zur richtigen Zeit startet, schiebt einem bereits die Strömung mit mehreren Knoten Geschwindigkeit landeinwärts. Mit ein bisschen Motorunterstützung kommt man so leicht auf 5 – 6 Knoten Geschwindigkeit über Grund.

Da am Tag der Tage auch noch ein kräftiger Südwind wehte, bot es sich an, die Fock, also das Vorsegel, rauszuholen. Flugs bewegte sich die Passat mit sensationellen sieben Knoten flussaufwärts, und nach weniger als drei Stunden kamen beide Dörfer in Sicht.

Hafenhandbücher und sonstige navigatorische Inforationsquellen erzählen übereinstimmend, dass die zwei Orte mittlerweile vernünftige Infrastruktur für Segelboote vorhalten in Form von Schwimmstegen mit Strom- und Wasserversorgung. Insofern bestand nicht nur Hoffnung auf einen dieser Komfortplätze, sondern auch auf ein einigermaßen reges Seglerleben am Steg und in der Hafenkneipe.

Der erste Blick schien der Erwartung Recht zu geben. Der Fluss zwischen beiden Orten war auf größere Strecke voll mit Booten. Selbst in der Mitte, also da, wo die Fahrrinne am tiefsten und am sichersten ist, ankerten Schiffe. Beim zweiten Hinsehen fiel auf, dass nirgendwo Menschen zu sehen waren. Nicht nur das, die Boote schienen eher verlassen, mit Persenning über den Segeln und die Luken verschlossen. Dazu kam, dass die Mehrzahl der Boote einen – vorsichtig ausgedrückt –  reichlich pittoresken Eindruck machte.

Wer eins und eins zusammenzählt, kommt an der Vermutung nicht vorbei, dass sich hier all die sammeln, die die Kosten für einen Liegeplatz in den regulären Häfen an der Küste nicht aufbringen wollen oder können, zumindest so lange wie das Schiff nicht genutzt wird.

Auch die Stege waren auf beiden Seiten voll belegt. Der Anker der Passat fiel exakt in der Mitte des Flusses. Auf die Frage, warum hier und nicht da, wo andere Schiffe liegen, folgte die Feststellung, dass diese Frage auch von der eigenen Ehefrau stammen könnte. Aha, auch nach Jahrzehnten enger Freundschaft lässt sich noch was voneinander lernen.

Das Dingi wurde aufgepumpt, mit dem Außenborder bestückt, und in Richtung Spanien in Bewegung gesetzt. Nach 200 Metern waren wir da. Die Boote am Steg sahen aus, als würden sie seit Monaten da liegen. Es gab Exemplare, bei denen man Angst hätte, dass sich Lawinen von Gerätschaft in den Fluss ergießen, wenn sie so losmachen würden. Angekettete Fahrräder, Grills, Beiboote, Kisten, Zeugs und Gerümpel.

Nun muss man wissen, dass auch Segler nur Menschen sind. Und so gibt es unter ihnen auch die ganz peniblen (die Gartenzwergaufsteller!), die Chaoten und die Messis. Letztere sind gar nicht so selten. Vielleicht erkennt man sie eher, weil der ganze Krempel nicht unter Deck passt. Deshalb sind sie auf Booten auffälliger.

Trotz Freitagabend hatte Sanlúcar etwas von einer Geisterstadt. Außer der völlig leeren Hafenkneipe zeigte sich keinerlei Restaurant, wie auch die Einwohner hinter ihren Türen unsichtbar blieben. Eine schwarze Katze sprang beim Näherkommen von ihrer weißen Mauer und verschwand ebenfalls.

Für einen weiteren Versuch bot sich Portugal an. Schön, wenn Länder sich so nahe sind. Das Dingi tuckerte auch freudig auf den Fluss hinaus. Genau in der Mitte, auf der Grenze, ging allerdings der Motor aus. Da just die Strömung am kentern war, blieben Schiff und Besatzung nahezu unbewegt stehen (dass Strömungen kentern können, wissen wohl hauptsächlich Vollblut-Segler. Aber solange nur die Strömung und nicht das Schiff kentert, soll es recht sein). Nun, das Benzin war alle, und da der Käpt’n schon ahnte, dass es knapp werden könnte, hatte er den Kanister gleich mit eingepackt.

Beim Anlanden in Portugal zeigte sich tatsächlich mehr Leben. Ein Vater saß auf der Hafentreppen und liebkoste sein Baby. Um ihn herum watschelten mehrere Enten, und dann gab es noch einen Mann aus Stein. Das ist die Plastik eines etwas gehetzt ausschauenden Menschen, wohl irgendeinem Sohn des Ortes, dem hier ein Denkmal gesetzt wurde.

Es gab dann aber doch noch mehr. Mehr Menschen, außerdem Katzen und Hunde, und es gab Wahlkampf. Zumindest auf dem Papier in Form von Plakaten für oder gegen die Europawahl. Am interessantesten stellte sich die CDU dar. Zuhause in Deutschland biedere Vertreterin der konservativen Mitte schien sie hier mit Hammer und Sichel sowie einem komplett anderen Programm ihre Chancen am deutlich linken Rand  zu suchen. Vielleich ein Testmarkt? Vorbereitung für denkbaren Stimmungsumschwung in Deutschland? Oder ist das gar nicht mehr Mutti, die hier zu uns spricht? Ein offenes und sympathisch wirkendes Lokal schob die aufkommende Verwirrung in den Hintergrund.

Die Nacht auf dem Schiff mitten im Fluss und auf der Grenze zwischen Spanien und Portugal war eine eigene und angenehme Erfahrung. Mit dem Wechsel der Gezeiten und später auch der Strömung ändert sich alle sechseinhalb Stunden die Fließrichtung. Alle ankernden Boote drehen sich dann langsam um 180 Grad. Die Bewegung des Schiffs ist nicht so ruhig wie meist im Hafen, aber viel gleichmäßiger als auf See. Und das leise Rauschen des Flusses geht gegen Morgen in ein zunehmend lauter werdendes Zwitschern der unzähligen Vögel über.

Gewöhnlich sieht man von einem Segelboot aus entweder nichts außer Horizont, eventuell eine ferne Küste oder unzählige Masten und viele Boote, wenn in Hafen bzw. Marina. Hier schiebt man morgens den Kopf aus der Luke und blickt auf nahe Ufer mit dichtem Bewuchs, weiter unten freundliche Häuser, die sich beidseits die Hänge hochziehen, und sonst nichts, außer einer friedlichen Flusslandschaft.

Es ist wirklich ein Kontrastprogramm, und die Beschränkungen, was das Segeln angeht, sorgen von selbst dafür, dass es die Ausnahme bleibt. Aber es sind diese kleinen Akzente, die die Feinheiten definieren und damit dem Ganzen einen weiteren Spannungsbogen geben.

Umwege erhöhen die Ortskenntnis

Der Atlantik zeigte sich bisher von einer sehr sympathischen Seite mit gutem und nicht zu starkem Wind. Auch die Welle war mäßig und sehr angenehm, abgesehen vom ersten Abschnitt, der noch im Einfluss der Straße von Gibraltar ziemliche Anforderungen stellte.

Weniger schön ist auf der Fahrt nach Ayamonte, dass etwa jede halbe Stunde unser UKW-Telefon klingelt. Die Küstenfunkstelle kündigt abwechselnd Sturm für das Seegebiet Cádiz an und gibt eine PAN PAN Notmeldung durch. Alle Schiffe („All ships, all ships …“) sollen nach einem manövrierunfähigen Boot mit acht Personen an Bord Ausschau halten. Zu diesem Zeitpunkt liegt die Einfahrt in den Rio Guadiana vor uns. Diese Ansteuerung ist nicht ganz einfach. Vor Flusseinfahrten gibt es im Atlantik meist eine Sandbank, also eine Ablagerung von Sand oder Kies am Grund, gebildet durch die Tide und Strömung.

Bei Wind gegen Tidenstrom (bei ablaufendem Wasser und Seegang) bricht die See vor der Einfahrt, und dann kann die auf der Sandbank entstehende Welle ein Schiff zum Kentern bringen (siehe: An Land gespült). Man muss mit einlaufender Welle, also bei Flut, die Sandbank passieren. Zudem gibt es Untiefen, an denen bei Niedrigwasser die „Handbreit unterm Kiel“ fehlen würde.

Diese Kombination aus Warnmeldungen des UKW und die bevorstehende Flusseinfahrt zerrt an meinen Nerven. Stimmen die Berechnungen für die Tide? Wie vertrauenswürdig sind die Tidenzeiten aus dem iPhone/iPad? Wie stark ist die Strömung an der engen Hafeneinfahrt, vor der das Hafenhandbuch warnt?

Letztlich ist dann alles unproblematisch. Die Bedingungen sind gut bzw. an der Einfahrt zum Rio Guadiana hat es wenig Wind und Welle. Trotzdem, die bevorstehende „Atlantik-Pause“ in Form von Hafentagen und einer geplanten Flussfahrt kommt jetzt genau zur richtigen Zeit.

Kleine Anekdote am Rande: Bei der Anmeldung im Hafenbüro liegen Kopien der aktuellen Tidenzeiten aus. Klasse! denkt der Segler, jetzt kann ich meine Angaben aus dem iPad mal vergleichen mit „offiziellen“ Werten. Beim genaueren Hinschauen steht dann am oberen Rand des DIN A4 Blatts die Überschrift: Tides for iPhone.

Der Rio Guadiana bildet in seinem Unterlauf die Grenze zwischen Spanien und Portugal. Etwa 3 SM oberhalb der Mündung gibt es zwei Häfen zur Auswahl, backbord einen portugiesischen und steuerbord einen spanischen. Die Entscheidung fällt für die rechte Seite, die Kleinstadt Ayamonte (20 Tsd. Einw.). Der Ort erinnert mit seinen weiß getünchten Häusern an Griechenland, und tatsächlich soll er griechische Wurzeln haben. Behauptet zumindest das Tourismusbüro. Eine freundliche Mitarbeiterin nimmt sich viel Zeit und gibt ausführlich Tipps für Unternehmungen.

Der erste Besuch geht dann mit Miet-Fahrrädern zu einer Gezeitenmühle. Hier lief bei Flut das Wasser in ein Reservoir, aus dem es bei Ebbe nur durch die Mühle wieder herauskam. Auch hier wird deutlich, wie wenige Touristen erst unterwegs sind. Die junge „Mühlenwärterin“ ist richtig glücklich über den seltenen Besuch, auch wenn sie anfangs scherzt und 30 Euro Eintritt für das Gratisticket nennt.

Im Unterschied zu den letzten Stopps hat Ayamonte noch einen weiteren großen Vorteil. Es ist keine künstliche, halb leerstehende Urbanisation, sondern endlich mal wieder ein richtiger Ort mit guten Lebensmittel-Geschäften und sogar einer Markthalle. Hier macht das Einkaufen und das anschließende Kochen bzw. Grillen an Bord wieder Spaß.

Zur Zeit herrscht Vollmond und damit Springzeit, also besonders hohes Hoch- und Niedrigwasser. Damit verbunden ist ein entsprechend starker Tidenstrom, der uns schnell 18 Seemeilen den Rio Guadiana flussaufwärts schieben soll. Denn Umwege erhöhen die Ortskenntnis: bevor es weiter nach Faro geht, stehen noch Sanlúcar de Guadiana auf der spanischen und Alcoutim auf der gegenüberliegenden portugiesischen Flußseite auf dem Besuchsprogramm.

Besuch der schönen Männer

Das sind die kleinen Geschichten, die den Segleralltag bereichern, auch wenn sie einem selbst Lügen strafen. Entgegen eigener Aussage (siehe: Leben an Bord, drittletzter Absatz) kam nämlich doch Besuch auf hoher See, wenn auch nicht zum Abendessen.

Es war auf der Strecke von Chipiola nach Magazon, als eines der schwarzen Schnellboote, die man aus diversen spanischen Häfen kennt, am Horizont auftauchte, sich zielstrebig näherte und dann erst mal eine Runde um die Passat drehte. Offensichtlich wollte man anhand der Flagge feststellen, welche Nationalität das Spaßboot  hat. Dann kam der Zoll – um den handelte es sich laut der Aufnäher an den Uniformen – längsseits.

Vielleicht musste noch am wöchentlichen Soll von Kontrollen gearbeitet werden, und die Herren waren der Meinung, es sei deutlich angenehmer, mit ein paar Yachties zu plaudern als die Strickleiter an einem rostigen, chinesischen Kohlenfrachter hochzusteigen. Letztendlich schienen sie aber mit Schiffen unter Segel nicht so richtig vertraut.

Die erste Ansage war demzufolge, sie kämen jetzt rüber, wir könnten dabei aber weitersegeln. Das ist ein ambitioniertes Vorhaben bei knapp sechs Knoten Fahrt, und das war ihnen dann auch schnell klar. Nächste Ansage: wir sollten das Schiff verlangsamen. Aber wie bremst man eine Yacht unter Segeln?? Also, Segel runter. Dann kamen zwei der Jungs an Bord.

Die sahen im übrigen alle so aus, als wären sie gerade einem Bruce-Willis-Film entsprungen: markante Gesichter mit Sonnenbrillen, braungebrannt und muskelbepackt. Die warmgeduschten Schwimmwesten hätte man im Film vielleicht weggelassen, aber der Rest stimmte ganz gut.

Es wurde eine sehr freundliche Begegnung. Der eine ging mit dem Skipper unter Deck, um die üblichen Papiere zu sichten, Ausweise zu kontrollieren, Formulare auszufüllen und Stempel zu setzen. Der zweite, relativ gut Englisch sprechend, blieb mit dem Steuermann im Cockpit, übersetzte hin und wieder nach unten ins Schiff, und erzählte ansonsten, dass es nach seiner Meinung in Südspanien zu heiß und im Sommer überhaupt nicht auszuhalten sei (aha, deshalb der Job auf dem Schiff. Ist einfach kühler da). Außerdem erzählte er von seinem Faible für Österreich und Deutschland, und da wird man in diesen Zeiten wirklich verlegen.

Die martialischen Erscheinungen verschwanden zunehmend hinter zwei ausgesprochen angenehmen, sympathischen Menschen. Eigentlich schade, dass sie nicht zum Abendessen geblieben sind.

Cádiz, Stadt mit Wärme und Weitblick

In  mancher Hinsicht sind Städte wie Menschen. Beide teilen sich Äußerlichkeiten wie sauber, hässlich, hektisch oder gepflegt etc.. Interessanter sind aber Merkmale, die nicht gleich ins Auge fallen. So können Städte auch eine Ausstrahlung haben, und Cádiz ist so eine Stadt mit Ausstrahlung.

Woran sich das festmachen lässt? Keine einfache Frage. Aber kennt das nicht jeder? Man kommt irgendwo an, versucht sich zu orientieren, geht ein wenig durch die Straßen, und im besten Fall stellt sich so eine Art Wohlgefühl ein. Hier würde ich gerne eine Weile bleiben, ist dann der nächste Gedanke. So ging es uns mit Cádiz. Ein paar Monate auf dem Schiff oder in einer Pension wohnen, Spanischkurs machen, sich treiben lassen, und und … Aber der Reihe nach!

Cádiz ist eine wirklich alte Stadt im alten Europa. Jahreszahlen lassen wir hier weg, aber im Mittelalter war die Historie schon lang. Ihre Lage weckte die Begehrlichkeiten. Sie ist nahezu vollständig vom Wasser umgeben. Im Westen der Atlantik, und im Osten ein riesiges, lagunenartiges Gewässer: die Bucht von Cádiz. In der Konsequenz bedeutete das große Schwierigkeiten für Neider und Feinde, da hin und vor allem hinein zu gelangen, andererseits bietet das ideale Möglichkeiten für die Schifffahrt inklusive eines sicheren Naturhafens. Wie so oft waren es dann die Kaufleute, die sich hier in großer Zahl niederließen und regen Handel mit fremden Ländern und den eigenen Überseekolonien insbesondere in Amerika betrieben.

In der heutigen Zeit wird Alter und Beschränktheit in Fläche zum Segen. Es bleibt kaum eine Chance für korrupte Bauunternehmer, Stadtplaner und Architekten, signifikante Bausünden zu begehen, wie sonst überall in Spanien. Irgendwie haben die es zwar trotzdem hingekriegt, im inneren Bereich der Markthalle von Cádiz, die die älteste in ganz Spanien ist, einen Kasten hinzusetzen, der den Charme eines Lok-Schuppens hat. Wie lange er es schafft, nicht zusammen zu fallen, ist nochmals eine andere Frage. Und es sind gottseidank Einzelfälle. Ansonsten zeigt sich die Altstadt erfreulich homogen und geschlossen.

Aus der Perspektive des Fußgängers gesehen fallen zunächst ein paar Konstanten auf. An fast allen Häusern finden sich die alten Straßenlaternen und außerdem kleine vorspringende Erker, die ausschauen wie  sehr schmale Balkone, welche man nachträglich mit Holzverkleidungen zu etwas gemacht hat, was gemeinhin unter dem Begriff „Wintergarten“ läuft. Die mit Kopfsteinen gepflasterten Straßen sind eng, es passt gerade ein Auto durch, öffnen sich aber oft ganz überraschend zu großen und großzügigen Plätzen. Eine sehr gelungene Dialektik im Städtebau wurde da vor mehr als Tausend Jahren gepflegt, von der sich mancher Stadtplaner heute was abschauen könnte.

Was aber das wirklich Besondere an Cádiz ist, eröffnet sich dem ahnungslosen Reisenden erst auf den zweiten Blick, nämlich dem über die Dächer. Auf der Liste der wichtigsten Sehenswürdigkeiten (ja, so was lesen wir verschämt auch) steht der Torre Tavira, der dank seines Standpunktes auf der höchsten Erhebung von Cádiz von enormen 45 Metern zu einem der drei historischen Wachtürmen der Stadt gehört. Und von da aus gesehen zeigt sich Erstaunliches. Die Dächer der Altstadt sind gespickt mit Türmen!

Die Handelsleute im Mittelalter waren natürlich erpicht, möglichst frühzeitig Kenntnis von der bevorstehenden Ankunft ihrer Schiffe zu bekommen. Was lag da näher, als einen Aussichtsturm aufs traditionelle Flachdach zu bauen, von dem man bis zum Horizont schauen konnte. Schon bald zierte nahezu jedes Haus ein solcher Turm, wobei es unterschiedliche Typen gab. Nur Turm, Turm mit Türmchen, Turm mit Terrasse und Kombinationen aus allem. Heute existieren noch 126 dieser alten Türme, die der Silhouette der Stadt eine einmaliges Gepräge geben.

In diesem schönen Ambiente wohnen, so scheint es, zufriedene Menschen. Die Bevölkerung besteht aus einem guten Mix von Einheimischen, Studenten und einer überschaubaren Menge an Touristen, diese vor allem von Kreuzfahrtschiffen. Die männlichen Gatidanos – so nennen sich die Einwohner von Cádiz – haben Zeit zum Angeln und einem angelegentlichen Schläfchen auf öffentlichen Bänken (ob freiwillig oder nicht, ist eine ganz andere Frage). Abends füllen sich die Plätze mit Familien inklusive einer unendlichen Menge von Kindern, und hier wird offensichtlich, dass gute Laune und Fröhlichkeit in der aktuellen Wirtschaftskrise noch nicht völlig abhanden gekommen sind. Das lässt diese Stadt ihre Besucher spüren, und das macht sie so warm und sympathisch.

Wieder im Atlantik: stürmische Passage durch die Straße von Gibraltar

Unsere Borduhr hat vier Zeiger (Bild1). Zwei schwarze für Stunden und Minuten, einen roten für die Sekunden und einen dickeren, blauen, für? Was meint ihr? Kleiner Tipp: er läuft etwas schneller als der Stundenzeiger …  Richtig, das ist die Anzeige für Ebbe und Flut. Diesen beiden gilt jetzt wieder erhöhte Aufmerksamkeit, und neben den Windprognosen bestimmen die Tiden hier im Atlantik unsere Törnplanung.

Auf dem iPhone bzw. iPad ist so eine Tidenuhr noch etwas schicker (Bild 2). Diese App gibt uns zusätzlich die Informationen über die mondabhängige Spring- bzw. Nippzeit, also über hohes oder niedriges Hoch- bzw. Niedrigwasser. In der Lagune von Faro, wo wir bald ankern werden, gibt es öfters Passagen, die dann entweder wie kleine Inseln aus dem Wasser schauen oder vom Wasser noch bedeckt sind (Bild 3). Das Wracksymbol auf der Karte ist ja nicht zu übersehen, und davon gibt es einige in diesem wattähnlichen Gebiet. Der Seglergruß „immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel“ wurde bestimmt hier erfunden.

Der letzte Törnabschnitt von Gibraltar über Barbate nach Cadiz war unser Wechsel vom Mittelmeer in den Atlantik. Für ein kleines Segelboot kann die Strecke durch die Straße von Gibraltar (insbesondere in dieser Richtung) zum Problem werden. Es gibt in der Meerenge zwischen Afrika und Europa einen nach Osten setzenden Strom. Aufgrund der Verdunstung im Mittelmeer fließt ständig Wasser vom Atlantik nach. Außerdem weht der Wind hier meistens aus westlicher Richtung, und dies häufig in Sturmstärke. Wie in einer Düse – der engste Teil der Straße ist gerade einmal acht Meilen breit – verstärkt sich der Wind in der Meerenge um zwei Beaufort. Will man dann dagegen ansegeln, also gegen Wind und Strom, hat man meist keine Chance.

Seit ein paar Tagen lese ich das Buch „Zu fernen Küsten“ (Danke für den Tipp, Reiner). Der Autor E.C. Hiscock beschreibt darin, wie er vor Jahren versuchte, diese Strecke zu bewältigen.

„Wir verließen zusammen den Yachthafen und motorten fünf Meilen weiter unter der Küste bis zu dem Osteingang der Straße, wo wir auf einen starken Westwind trafen. Wir refften das Großsegel, wechselten zur kleinen Fock und versuchten hindurchzukreuzen. Nach einem Schlag in die Mitte, wo eine rauhe See lief, und einem zweiten zurück zur Nordküste, mussten wir aber feststellen, dass wir zurückgetrieben worden waren. Wir gaben es auf und segelten zurück.“

Im Lauf der folgenden Tage versuchte er es weitere sieben Mal … „wir versuchten es bei Tag und wir versuchten es bei Nacht; wir versuchten es unter Segel, unter Motor und Segel, und wir versuchten es sogar unter Motor allein; vergeblich, es war nicht dagegen anzukommen.“ … bevor er es endlich schaffte.

Im Unterschied zu Hiscock warteten wir auf Ostwind und nutzten den Strom. In Küstennähe überwindet die nach Westen laufende Tidenströmung den Oststrom; um daraus Vorteile zu ziehen, muss man sich jedoch nahe an der Küste halten, der Felsen vorgelagert sind. Dank unserer Navigation mithilfe des iPads (Plotter) war dies kein Problem. Den nach Westen laufenden Tidenstrom konnten wir gut nutzen. Hiscock dagegen war sich seines genauen Standorts nie ganz sicher. Auch wegen der Strömung, die ihn ständig versetzte, musste er vorsichtiger sein.

Dank des Ostwinds konnten wir die Straße auch unter Segeln schnell und im ersten Anlauf passieren. Allerdings warnte bereits in der Bucht von Gibraltar Tarifa Traffic Radio vor Starkwind. Zu diesem Zeitpunkt war der Wind eher flau, und wir setzten ungerefft das Großsegel. Vor Tarifa erreichte der Wind dann tatsächlich über 30 Knoten (7 Beaufort – selbst gemessen!). Spätestens jetzt mussten wir das Groß bergen. Keine einfache Aufgabe bei der sehr bewegten See.

Warum bin ich nicht beim ursprünglichen Plan geblieben? Auch unter der bis auf einen kleinen Lappen eingerollten Genua segelten wir letztlich mit viel Speed.

Mittlerweile sind wir in Cádiz und froh über die anstehenden Hafentage in dieser schönen Stadt. Unser Navtex meldet gerade eine Gale Warning (letztes Bild) für die Straße von Gibraltar. Wir hatten also viel Glück mit unserem Zeitfenster – ohne Nebel, ohne Westwind und mit Starkwind – aber nicht wirklichem Sturm – aus Osten.

Good Times in Gibraltar: Pizza im Nebel und Affen auf dem Fels

Gibraltar. Dichter Bodennebel über dem Wasser. Wir haben kein Radar an Bord. Vielleicht ist der Nebel nur lokal? Ich mache einen VHF-Anruf bei Tariffa Traffic. Das ist die Verkehrsleitzentrale für die Straße von Gibraltar. Sie warnen uns, die Straße unter diesen Bedingungen zu passieren: „Captain, please stay and have a good time in Gibraltar – all over the street is dense fog.“

Wenigstens am Felsen reißt der Nebel später auf und wir können das Gibraltar-Touristen-Standard-Programm angehen. Vor den Affen wird gewarnt. Mitunter sollen sie beißen oder den Touristen Fotoapparate aus der Hand reißen. Tatsächlich sind sie dann aber eher brav.

Seit Málaga ist der Bordgrill mit einem Pizzastein ausgerüstet. Am Abend erlebt dieser dann seine Premiere.

Leben an Bord: Routine, Klausur und die Freiheiten im Kopf

Auch einfache Fragen können kompliziertere Gedanken auslösen, die wiederum zu komplexeren oder jedenfalls umfangreicheren Antworten führen als anfänglich gedacht.

„Wie verläuft ein Routinetag auf dem Segelschiff?“ fragte eine Leserin unseres Blogs, und die erste Reaktion war natürlich, das Wort „Routine“ mit einem großen Fragezeichen zu versehen. Routine wollten wir doch eigentlich hinter uns lassen. Aber tun wir das wirklich? Oder wechseln wir die Zuhause-Routine nur gegen eine etwas speziellere Urlaubs- bzw. Reise-Routine?

Und ja, auch auf dem Schiff gibt es Routine. Fängt damit an, wer sich was morgens zum Frühstück macht (immer das selbe), die Routinen nach dem Einlaufen im Hafen (Anmelden im Hafenbüro, Checken der Sanitärräume, wo ist der nächste Supermarkt) bis zu den ganz persönlichen Gewohnheiten (vor dem Einschlafen noch ein Kapitel lesen). Der Mensch erfindet sich ja nicht neu, nur weil er seine sichere Höhle verlassen hat.

Und doch ist ein Segelschiff eine der besseren Möglichkeiten, Routine aufzubrechen. Die räumliche Beschränktheit nicht nur in der Fläche, sondern auch in der Höhe zwingt zu einer ebenso harschen Einschränkung der physischen Freiheit. Der Hauptraum unter Deck, die „Messe“ hat auf der Passat circa 6 qm, stehen kann man davon nur in einem schmalen Gang, der vom Niedergang (=Treppchen ins Schiff) nach hinten führt, wo sich ein winziger Verschlag mit WC und Waschbecken anschließt (bleibt auch keine Frau freiwillig länger als eine Minute drin).

Der Begriff Downsizing erlebt hier eine weitere sehr konkrete Bedeutung. Wenn man sich die ersten Tage sämtliche Extremitäten angeschlagen hat und der Körper genügend blaue Flecken aufweist, reduziert man nicht nur jede ausladende Bewegung, sondern versucht sich insgesamt kleiner und platzsparender zu machen. Ständig will man die Bewegungen des anderen vorauszuahnen, um seine Kreise nicht zu stören. Aber aus dem Weg gehen kann man sich erst recht nicht. Leute, die sich nicht mögen, sollten jedenfalls nicht ernsthaft erwägen miteinander zu segeln. Andererseits ist es eine großartige Therapie für Leute, die meinen ihre Wohnung sei zu klein. Zur Ehrenrettung des Schiffes muss man außerdem hinzufügen, dass die Möglichkeit, überall mit ausgestrecktem Arm einen Halt zu finden, bei schwieriger See durchaus auch Vorteile bietet.

Außerdem hat diese Kleinstraumwohnung einen Balkon, den der Segler Cockpit nennt, Hier waltet und schaltet der Käpt’n, wenn das Boot unterwegs ist. Aber auch sonst ist das der „best place to be“, um klaustrophobische Anfälle (aber auch Seekrankheit) zu vermeiden.

Immerhin provoziert der wenige Platz den Ordnungssinn. Alle raumgreifenden Aktivitäten wie Anziehen oder Kochen und Geschirr spülen brauchen durch die verlangsamten Bewegungen eh schon viel mehr Zeit, und was herumliegt, verringert die kostbare Fläche noch mehr. Beim Segeln in Schräglage fällt der Kram an den tiefsten Punkt im Schiff (wechselnd), und im Cockpit können Stolperfallen schnell zum echten Ärgernis wenn nicht sogar gefährlich werden.

Was macht man nun mit den Freiheiten, die einem bleiben, wenn weder Seilspringen noch Yoga so richtig praktikabel ist? Zunächst mal sind Tage im Hafen was anderes als Tage auf See, und richtig ganz was anderes sind Nächte auf See. Im Hafen reduziert sich das Schiff zum Schlafplatz und Rückzugsort. Ansonsten tut man das, was alle Touristen machen: Land und Leute anschauen.

Aktives Segeln dagegen erfordert Zeitmanagement, wobei die zentralen Bestimmungsfaktoren Wind und Wetter sind. Der Rest hat sich unterzuordnen. Die Analyse von Wettervorhersagen erfordern Zeit, alles andere auch: Wasser bunkern, Einkaufen, sonstige Auslaufvorbereitungen. Und dann segelt man – wenn es genügend Wind hat. Dafür hat man ja ein Segelboot. Konkret heißt das, die Segel setzen, bei Flaute (kommt im Mittelmeer auch oft vor) einzuholen und, wenn oben, kontinuierlich in der Stellung zu halten, die maximale Geschwindigkeit in Bezug auf das Ziel verspricht und den Kurs dorthin öfters zu überprüfen. Das nennt sich im übrigen Navigation oder Navigieren, was früher ein riesen Thema war und heute einigermaßen leicht ist, solange das iPad funktioniert. Nebenher wird auch kontinuierlich Logbuch geschrieben.

Außerhalb des Hafens ist immer mindestens ein Segler im Cockpit, der dann auch die Verantwortung für die Sicherheit des Schiffs inne hat. Nachttörns sind insofern extrem, als alle drei Stunden die Wache an Deck wechselt, heißt, man schläft maximal drei Stunden am Stück, was am nächsten Tag deutlich in den Knochen zu spüren ist. Außerdem ist es auch in Sommernächten oft feucht draußen, und die Steife durch Bewegungsmangel wird noch verschärft durch mehrlagige Klamottage und eine Schwimmweste.

Und sonst? Sonst kann jeder machen, was er will. Lesen, schreiben (wie gerade, ha ha), Musik hören, Sterne anschauen oder gar nichts. Claus bspw. liebt es, an Bord zu kochen, gerne auch bei Seegang (Anzahl der Gänge äquivalent zur Windstärke, so kommt es mir manchmal vor). Es gibt einen kardanisch aufgehängten Herd mit Backofen, der zumindest die Rollbewegungen des Schiffs ausgleicht. Da werden oft richtige Menüs darauf gezaubert. Dazu gibt es Rotwein, guten Jazz und danach – je nach Müdigkeitslevel und im Hafen, einen Film auf dem MacBook (nein, noch zahlt uns Apple nichts). Seit neuestem hat es auch einen Bord-Grill. Das Teil ist so genial, dass wir demnächst vielleicht was extra dazu sagen.

Auch wenn sich die Tage ähneln, hat das nichts mit Routine zu tun. Routine ist das tägliche Zähneputzen, weil es dafür kein Nachdenken und erst Recht keinen Plan braucht. Für die wesentlichen Dinge auf einem Segeltörn hat man immer einen Plan, auch wenn dieser nicht zwangsläufig eins zu eins umgesetzt wird.

Ein bisschen Philosophie zum Schluss: das mit der Freiheit der Meere ist ein netter Gedanke, aber bei genauem Hinsehen gibt es kaum einen Ort größerer Verlorenheit als ein kleines Segelboot auf  großer Fahrt. Ein paar Quadratmeter Planken und dann viele, viele Seemeilen nichts mehr. Theoretisch kann man zwar noch besser sehen, wer zum Abendessen kommt, als in Ostfriesland. Aber es kommt keiner! So gesehen ist Segeln ein bisschen auch ein Akt mutwilliger Selbst-Isolation. Man erfährt selten so konkret die Distanz zwischen sich und dem Rest der Welt, wie wenn man auf hoher See einmal rundum schaut.

Aber wir wissen doch alle: der Mensch ist hin und wieder ein merkwürdiges Wesen. Im speziellen Fall des Segelns lässt er sich freudvoll einengen und zeitweilig vom Rest der Welt abschneiden, um dann von Freiheit und Unabhängigkeit zu schwadronieren. Trotzdem ist was Wahres dran. Entscheidend ist, dass diese Widrigkeiten selbst gewählt und vor allem nicht menschengemacht sind. Der schlimmste Regen ist auszuhalten, solange er nicht aus Nachbars Gartenschlauch kommt.

Und sind nicht die wahren Freiheiten die im Kopf? Du hörst den Wind, du siehst – egal wohin du schaust – immer bis zum Horizont, du spürst die Welle und jede Bewegung des Schiffs unter dir. Immer wieder und immer wieder, und es wird nie Routine.

Fuengirolas zombiefreie Zonen: Speakeasy Jazz Club & Cocktails

Fuengirola gehört zusammen mit Torremolinos zu den Touristenhochburgen im Dunstkreis Malagas, wobei der Begriff Tourist weiter zu fassen ist, weil viele der Nichtspanier, sogenannte Residentes, hier ansässig sind. Die lokale Wirtschaft hat sich diesem Umstand völlig hingegeben.

Der Kopfsteg des Hafens, den sich die hiesigen Fischer mit den Pleasureboats teilen, ist durchgängig mit Lokalen besiedelt. Da finden sich heimatgeschwängerte Kneipen wie das Ku-Damm neben dem Schnitzelhaus, aber auch die Briten haben ihre Häuser in Form des Goulash House und die Karma Irish Bar. Liebhaber des noch Exotischeren haben die Wahl zwischen der Caribbean Mermaid und dem Royal Marrakesh. Die Wirte sehen überall weder karibisch noch orientalisch aus, sondern eher handfest.

In vielen dieser Etablissements sitzen morgens ab 10 Uhr ältere Paare. Der männliche Part gerne nur mit Shorts bekleidet und noch lieber mit Blick auf den ersten Aufheller in Form von Bier oder Brandy. Das ist der Prototyp. Die Variationen sind groß. Diese Auftritte haben etwas zombiehaftes, und ohne jemanden wirklich beleidigen zu wollen hat sich bei uns auf dem Schiff dieser Begriff schnell fest etabliert. Um Missverständnissen vorzubeugen: Fuengirola besteht keineswegs nur aus Zombies, aber die Dichte nimmt auf den letzten 500 Metern Richtung Meer dramatisch zu.  Stellt sich die Frage: warum? – wir? – hier?

Der Hafen ist bewacht, sicher und per Bahn direkt an den Flughafen Malaga angebunden, der uns als Absprung für den kurzen Deutschlandurlaub dient. Das war das Auswahlkriterium, und damit leben wir jetzt. Und gar nicht schlecht, denn – wie auch der erfahrene Reisende weiß – in jeder Krise liegt eine Chance.

Es gibt zombiefreie Zonen in Fuengirola, man muss sie nur finden wollen. Und fairerweise muss man differenzieren: in jedem touristisch ausgebeuteten Ort definieren die Einheimischen IHRE Bereiche. Es gibt selbst auf Mallorca viele Ecken, wohin sich kaum ein Fremder verirrt. So auch in Fuengirola. Die echte Herausforderung aber ist, solche Stellen da zu finden, wo man sie nicht erwartet. Des Rätsels Lösung? Gehe dorthin, wo der gute Geschmack ist. Gehe hin, wo die Menschen Jazz hören.

Unweit des Hafens in einem Einkaufsviertel mixt im Souterrain eines unscheinbaren Gebäudes Elias Bentolila Edery die wohl besten Cocktails an der Costa del Sol. In Anlehnung an die Zeiten der amerikanischen Prohibition in den 1920ern nennt sich seine Bar „Speakeasy“ und ist auch von Einrichtung und Ambiente entsprechend orientiert. Elias, der im übrigen 2011 Mix Master Champion in Dublin war, schmeißt den Laden nur mit Hilfe seiner Assistentin. Die Räume sind aber auch überschaubar, was den Vorteil hat, dass man nahezu von jedem Platz (es gibt Sofas) dem Meister bei seinen manchmal akrobatischen Künsten zusehen kann.

Die Cocktails – selbst die alkoholfreien –  sind köstlich, jeder auch optisch eine Sensation und preislich völlig auf dem Boden. Die Musik tut ein übriges, sich auf einer Wolke des Wohlgefühls wegtragen zu lassen. Jazz vom feinsten und mehrmals die Woche auch live. Bei unserem Besuch spielten drei lokale Musiker Jazzstandards, und es war wunderbar, eine circa achtzigjährige Dame zu beobachten, die schon beim Betreten der Bar mit ihren beiden mindestens ebenso alten Begleitern in einen Tanzschritt verfiel und auch weiterhin enthusiastisch der Musik ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte.

Gourmet-Segeln – oder Segler mit Zeit haben immer guten Wind

Freunde von uns, Anne und Bruce, leben in Australien und segeln auch gerade mit ihrem Katamaran im nördlichen Great Barrier Reef. In einer der letzten E-Mails fragte Anne:

„Habt ihr auch ein Sturmsegel? Geht ihr raus, wenn es ueber 30 Knoten Wind hat? Ich bin ja kein so mutiger Segler. Schnell segeln – also gestern waren es 11 Knoten (kommt selten vor) – ist fuer mich ok, nur mag ich es nicht, wenn die Wellen zu hoch werden (ueber 1.5-2 m ist fuer mich nichts mehr). Dann bekomme ich Angst. Wir segeln also normalerweise nur, wenn es bis 25 Knoten Wind hat.“

Anne, wir sehen das auch so. Starkwind, Sturm und rauer See versuchen wir aus dem Weg zu gehen. Gerade hatten wir eine Phase von stärkerem Wind (Bild 1). In dieser Zeit lagen wir im sicheren Hafen von Almeria und haben spannende Ausflüge ins Hinterland gemacht.

Im Alboranmeer, unsere aktuelle Position, gibt es fast ausschließlich westliche oder östliche Winde (Bild 2). Als ich vor 20 Jahren zum ersten Mal hier segelte, fehlte mir diese Information und wir sind sehr mühsam gegenan gesegelt. Auf meinem alten Übersegler (Seekarte größeren Massstabs) ist ein Track dazu noch eingezeichnet (Bild 3). Zugegeben, dieser Ehrgeiz fehlt mir heute.

Ab morgen sind wieder Tage mit östlicher Windrichtung angesagt (Bild 4). Wir werden damit gemütlich und sanft durch die See gleiten und freuen uns darauf!

Meine Frau nennt mich ab und zu scherzhaft „Gourmet-Segler“. Mit diesem ironischem Kommentar kann ich aber gut leben und empfinde diese Titulierung als Kompliment.

25 – 30 Knoten Wind (6 -7 Bft) von achtern kann eine schöne und rasante Fahrt bedeuten. Von vorne: NO THANKS!

Granada: die Alhambra in neuen Bildern

Starkwind lässt uns länger in Almeria verweilen. Zeit, das Hinterland Andalusiens zu erkunden. Granada ist voller Menschen, die die Alhambra besichtigen. Da tun sich ganz erstaunliche Bilder auf. Worte sind nicht nötig.

Fort Bravo: High Noon in Andalusien

Gut 20 km nördlich von Almeria liegt das Örtchen Tabernas, welches auch der nahen Wüste den Namen gab: Desierto de Tabernas. Diese Landschaft ist dem Klischee des Wilden Westens so aus dem Gesicht geschnitten, dass schon vor 50 Jahren hier die Außenaufnahmen für Western gedreht wurden. Als Kulisse entstanden komplette Ortschaften mit den obligatorischen Saloons, Hotels, Sargtischlern und Banken. Das schönste Gebäude ist – wie im richtigen Leben – die Bank, und das Logo am oberen Fries stimmt auch schon beinahe.

Das interessanteste dieser Kulissen-Dörfer ist Fort Bravo. Hier würde man vieles sofort wiedererkennen, hätte man in den Filmen mehr auf das Setting geachtet. Teile von Vier Fäuste für ein Halleluja, The Good, the Bad and the Ugly, Indiana Jones, Die Daltons gegen Lucky Luke bis zum Schuh des Manitu entstanden hier, und das ist nur ein winziger Ausschnitt aus Hunderten von Produktionen. Einen Aha-Effekt für den Western-Freund gibt es auf jeden Fall: am Ortsrand steht der Galgen aus Spiel mir das Lied vom Tod, wobei dieser ein steinerner Rundbogen ist – scheinbar steinern, so lange man mindestens zehn Meter Abstand hält.

Die Kulissen werden nach wie vor genutzt, mitunter auch für Werbespots wie der von Pepsi Cola mit den Spielern von Real Madrid, aber das Genre ist nicht mehr so angesagt wie in den 60ern, als die sogenannten Spaghetti Western zum täglichen Brot des Kinogängers zählten. Und so dürfen in den jetzt länger werdenden Drehpausen die Touristen durch die staubigen Straßen streifen. Hochzeiten sind hier möglich oder schlimmstenfalls auch Firmenevents.

Bei unserem Besuch waren wir fast die einzigen. Ein Pärchen stand noch verloren vor dem Sheriff’s Office, und der Cola-Vertreter saß im Saloon (einem der wenigen begehbaren Gebäude) und nahm eine Bestellung auf. Ein gutes Zeichen, die Saison naht.

Stille Tage in Alicante

Alicante zeigt sich im März von der entspannten Seite, weder hektisch noch zu laut, wenn man von der Diskothek absieht, die die komplette Samstagnacht den Hafen mitbeschallt. Kein Mensch spricht Englisch – auch nicht im Hafenbüro oder in der Tourist-Info – aber alle sind freundlich und hilfsbereit. Überhaupt hat die Stadt ihren Stolz viel weniger dem Tourismus geopfert als viele andere an der Costa Blanca. Verrentete Engländer in großer Zahl haben wir erst bei einem Kurztrip nach Benidorm angetroffen.

Von der Seeseite wird Alicantes Silhouette geprägt von sehr vereinzelten Hochhäusern, die dafür um so deplatzierter wirken, und natürlich durch den Monte Benacantil. Das ist quasi der Hausberg, gekrönt von einer imposanten Burganlage, dem Castillo de Santa Barbara, die offensichtlich mit Hilfe von EU-Geldern aufs Feinste restauriert wurde inklusive eines Aufzugs durch den Berg für fußfaule Besucher.

Aber auch in Alicante ist die schwierige wirtschaftliche Situation Spaniens allenthalben zu spüren. Kaum ein Gebäude ohne Verkaufsangebote in den Fenstern und viele Menschen versuchen durch den Straßenverkauf von Kleinigkeiten sich ein Zubrot zu verdienen oder bitten gleich um Geld. Der von einem Fastfoodladen angebotene „Krisenburger“ bekommt da schon einen zynischen Beigeschmack.

Einen bodenständigen und sehr fairen Gegenwert bietet die städtische Markthalle. Im oberen Geschoß bieten unendliche Mengen von Metzgern Fleisch in unbeschränkten Variationen an, die untere Ebene gehört den Fischhändlern. Wettbewerb und das wirkliche atemberaubende Angebot sorgen für wirklich günstige Preise und hervorragende Qualität. Wer bereit ist, zwanzig Euro auszugeben und ein bisschen Spaß am Kochen hat, bekommt dafür ein Menü, das im Restaurant wahrscheinlich das Dreifache kostet und nur halb so gut schmeckt.

Der Hafen und die beiden Marinas sind nicht nur im Stadtbild allgegenwärtig, sondern haben auch wichtige wirtschaftliche und soziale Funktionen. Der Real Club de Regatas Alicante, in dem unser Boot und wir lagen, hat ein breites Wassersportangebot vor allem für Jugendliche, das ganz offensichtlich angenommen wird. Währen jeden Tag in morgendlicher Stille nur ein einsamer Asiate auf dem uns gegenüberliegenden Steg seine Tai-Chi Übungen vollzog, war auf den Stegen und Pontons von Mittags bis spät in den Abend ein reges Leben von Ruderern und Paddlern.

Zehn Seemeilen südlich von Alicante liegt Tabarca, die einzige bewohnte Insel im Regierungsbezirk Valencia. Die Einwohnerzahl ist in den letzten Jahren deutlich unter Hundert geschrumpft und dürfte damit den Stand haben, als Tabarca noch als Unterschlupf für Seeräuber diente. In der Saison kommen Tagesbesucher in größerer Zahl, vor allem wegen der naturbelassenen Strände und Buchten. Jetzt im März gehört das Feld unbestritten noch den unzähligen Katzen.

Im Empfang des Real Club de Regatas Alicante hängt ein riesiges Wandbild. Auf dem winken sirenenähnliche Damen den davonziehenden Segelschiffen hinterher. Das merken wir uns und kommen bei Gelegenheit gerne wieder!

Windnavigation

Cartagena. Stärkerer Wind aus der falschen Richtung hält uns hier fest. Die Stadt ist aber ein lohnendes Ziel, der Hafen bietet guten Schutz und in der Messe der „Passat“ ist es gemütlich.

Während ich diese Zeilen schreibe pfeift der Wind draußen und diverse Fallen und Tampen schlagen auf den Schiffen um uns herum (aus Selbstschutz haben wir dagegen unser Tauwerk abgebunden).

In den letzten Jahren hat sich für mich das Fahrtensegeln zweimal grundlegend geändert. Vor etwa 20 Jahren mit der Einführung des GPS und in den letzten Jahren durch das Internet und die damit verbundene leichte Verfügbarkeit von Wetterprognosen. Günstige Winde können damit für die Streckenplanung genutzt bzw. Starkwind umgangen werden.

Dank richtiger Vorhersagen funktionierte das auf unserem Törn bisher richtig gut. Man sollte sich aber nicht zu sehr darauf verlassen und misstrauisch bleiben. Meteorologen liegen bekanntlich manchmal daneben.

Um die Winde optimal nutzen zu können, klingelte  der Wecker an den beiden letzten Tagen bereits morgens um sechs Uhr. Als Lohn konnten wir dann super segeln, und auf der längeren Tagesetappe von Torrevieja nach Cartagena lief der Motor nur für die Ein- bzw. Ausfahrt aus den Häfen.

Die Logbuchauswertung dazu:

=== 28. März 2014 =====
07:09 bis 15:12
Ø-Geschwindigkeit: 5.1kn
Ø-Kurs: 200°
Zurückgelegte Strecke: 39.1sm
Verstrichene Zeit: 8.1 Stunden
0.20 Motorstunden
 
 
 

Segeln mit dem iPad

Vor dem Törn haben wir unseren iPads je eine spanische SIM-Karte spendiert. Selbst in einiger Entfernung von der Küste kommen wir damit schnell und recht günstig ins Internet. Wetterberichte wie z.B. die Windfinder Prognosen (Bild 1) sind damit immer verfügbar. Gerne nutze ich auch die GRIB-Karten (Bild 2) der App WeatherTrack. Nach der Eingabe des Abfahrtsorts, der Abfahrtszeit, der voraussichtlichen Geschwindigkeit und des Ziels erstellt diese App auch eine Streckenprognose (Foto 3).

Für den Törn Mallorca – Alicante stimmte diese Vorhersage genau. Tagsüber konnten wir mit den prognostizierten 2-3 Bft. gut segeln und in der Nacht, bei Flaute, mussten wir motoren.

Die Navigations-App Navionics Europe HD ist auf unseren beiden iPads installiert (Bild 4). Der Seekartenbestand dieser App würde in Papierform mehr als das Hundertfache kosten. Trotzdem liegt auf dem Navigationstisch auch immer eine Seekarte für das Gebiet (wenigstens im größeren Maßstab). Außerdem Navigationsbesteck wie Zirkel und Plotter, falls man terrestrisch navigieren muss oder will, z.B. um in Übung zu bleiben (jede Technik kann ausfallen), und weil es doch auch Spaß macht.

ShipFinder heißt die AIS App (Bild 6), die uns zeigt, welche mit AIS ausgerüsteten Schiffe gerade in der Nähe unterwegs sind (inklusive Kursangabe und Geschwindigkeit). Gut, das kann mein UKW auch, sogar mit CPA Alarm (Bild 7), aber ShipFinder zeigt auch Fotos der Schiffe, und es ist schon verrückt, bspw. in der Nacht sich diese dann anzeigen zu lassen (Bild 8 und 9). Das geht natürlich nur mit Internetabdeckung. Auf der Strecke Mallorca – Alicante war diese aber bis auf kurze Abschnitte immer vorhanden.

Ein genaues und vollständiges Logbuch zu führen, kann mitunter anstrengend sein. Mit der App Logbuch macht es dagegen Spaß. Position, Zeit, Kurs, Tripp und Wetterdaten trägt die App automatisch in das Logbuch ein (präziser und effizienter als bisher). Mit Geoencoding sucht die App außerdem den nächstgelegenen nautischen relevanten Namen, bezugnehmend auf die aktuelle GPS-Position.

Datenintensive Manöver werden dann im Hafen und über WiFi erledigt. Mit der App Download haben wir bspw. gerade die letzte „Heute-Show“ eingespielt.

Eine lesenswerte Diskussion zum Thema Internet an Bord und der Frage, ob ein intensives Naturerlebnis damit nicht zu kurz kommt, gibt es auf der Website www.insidersegeln.de

Von Mallorca nach Alicante

Will man mit dem Boot von der Südwestküste Mallorcas nach Alicante an der Costa Blanca, so ist die Route eine nahezu perfekte Gerade. Kurs West-Südwest führt diese hart an der Nordspitze Ibizas vorbei und kommt am Kap de la Nao an die spanische Festlandküste, der man parallel folgt, bis nahezu von selbst Alicante vor einem auftaucht.

Voraussetzung sind natürlich wohlwollende Winde aus Richtungen, die das Boot nicht zum Kreuzen zwingen, und in Stärke, die eine Mindestgeschwindigkeit ermöglichen. Aiolos – Gott der Winde – war uns wohlwollend gesonnen und blies an beiden Tagen mit einer fröhlichen drei erst aus Nordwesten dann aus Süden, während sich nachts jeweils die große Windstille breit machte, die dann der Schiffsdiesel übertönte. Trotz (oder gerade wegen?) dieser Flaute baute sich am Abend vor Ibiza eine Kreuzsee (googeln!) auf, die das Schiff so heftig schwanken und vor allem um die Längsachse rollen ließ, dass selbst dem sonst diesbezüglich völlig schmerzfreien Skipper mulmig wurde. Einziges Gegenmittel: an Deck bleiben und die Millionen Sterne eines überwältigend klaren Himmels fixieren.

Es gab Begegnungen: In der Dämmerung des ersten Tags hatte ein Rudel Delphine viel Spaß mit uns und wir mit ihnen. Auf allen Seiten des Schiffs schossen sie aus dem Wasser der kabbelnden See, um auf ihre elegante Art gleich wieder abzutauchen, nicht ohne einem dabei kurz anzugrinsen.

Zwischen Ibiza und Festland näherte sich ein größerer Massengutfrachter mit dem schönen Namen Ekatarina (nein, kein Russe.  Fuhr unter maltesischer Flagge und wollte nach Gibraltar) beharrlich auf Kollisionskurs. Claus rief ihn auf UKW an und es entspannte sich eine nette Unterhaltung mit Einlenken und Kurskorrekturen beider Beteiligter. Als der Käpt’n der Ekatarina zum Abschied in sein Riesenhorn stieß, holte Claus seine Pressluft-Fußballtröte heraus und erwiderte diesen Gruß. Danach war für eine habe Stunde bestimmt kein Fisch mehr in unserer Nähe.

Die erste Begegnung mit dem spanischen Festland war der riesige Felsen von Calp, der sich zunehmend aus dem Abenddunst herausschob und mit jeder Seemeile seine Silhouette völlig veränderte. Nicht viel später war es dunkel, und als Benidorm in Sicht kam, dachten wir, wir würden New York passieren. Die kilometerlangen Lichterketten am Ufer vermitteln den Eindruck von Glanz und Leben. Bei genauerem Hinsehen stellt man aber fest, das die Lichter in den Häusern selbst sehr dünn gesät sind.  Diese Zeichen der Krise in Spanien werden uns ab jetzt häufiger begegnen.

Um kurz nach 2:00 Uhr in der Nacht zum Freitag lief die „Passat“ in den Hafen des Real Club de Regata in Alicante ein.

Für Segelinteressierte gibt ein detailliertes Logbuch, das Claus mit der App „Logbuch“ auf seinem iPad erstellt hat.

Das Mittelmeer

Mitte März machen wir die Leinen los und starten Richtung Westen. Bis dahin wird es in diesem Blog eher ruhig bleiben. Zeit, um sich ein paar Gedanken zu machen über das „Revier“, in dem wir uns hauptsächlich bewegen werden: das Mittelmeer.

Nachfolgender Text entstand vor ein paar Jahren im Rahmen eines Exposes für ein mehrteiliges Filmprojekt, das dann doch nicht realisiert wurde. Die geplante Filmreihe sollte die komplexen Zusammenhänge verständlich machen, welche den Mittel­meerraum in den letzen Jahrtausenden zum bedeutsamen Schauplatz historischer, wirtschaftlicher, kultu­reller und reli­giöser Ereignisse machten. Die Entwicklungen der jüngeren Geschichte zeigen, dass sich daran nichts geändert hat.

„Für den Historiker sind tausend Jahre keine sonderlich lange Zeit. Im Gegensatz zu manchen Menschen, die alles, was vor dem Gestern war, im schwarzen Loch des Vergessens entsorgen. Kein Wunder also, wenn dann das Banale dem Blick auf die Hintergründe im Weg steht.

Siehe ‚Mittelmeer‘: Das ist Sonne, Wasser, Urlaub, kulinarische Spezialitäten und mediterranes Lebensgefühl schlechthin. So weit die spontanen Assoziationen. Das Mittelmeer reduziert auf einen Projektionsraum nordeuropäischer Sehnsüchte!

Verständlich: kaum jemand, der nicht regelmäßig seinen Fuß an diese Gestade setzt. Zu nahe dieses Geschenk der Natur. Mit dem Flieger schneller erreichbar als man­ches inländi­sche Ziel, selbst mit dem Auto nur eine Tagesreise entfernt. Und die Menschen, auf die wir treffen, sind unseresgleichen oder zumindest in der Mehrzahl ‚Europäer‘, als Tisch- und Strandnachbarn also hinlänglich akzeptiert.

Das Mittelmeer als Mittelpunkt der Welt: Früher war das geografisch gemeint, aber selbst heute könnte man eine vergleichbare, wenn auch etwas abstraktere Bedeu­tung erkennen: Bezeichneten wir als die Mitte Europas den Ort, an dem man die meisten seiner Völker antrifft, dann spräche viel dafür, dass dieser am Mittelmeer zu finden ist.

Aber was ist der Grund für dieser Attraktion? Gibt es da vielleicht doch mehr als nur Sonne, Meer und eine archaische Vegetation? Etwas, was wir mehr spüren als dass wir es benen­nen können? Ein vages Gefühl oder ein unbewusster Drang zurückkeh­ren in einen Raum, der unseren Charakter, unsere Art zu denken und zu leben viel mehr geprägt hat, als wir uns das je vorstellen können?

Weit mehr als nur das Traumziel vieler Reisender in ganz Europa ist die Welt des Mittel­meers die Wiege nicht allein der westlichen Zivilisation, sondern einer ganzen Reihe von Hochkulturen, die seit ältesten Zeiten und bis heute den Mittelmeerraum und die Geschichte der Menschheit entscheidend geprägt haben. Die verschiedens­ten Völker trafen hier aufein­ander und drei große Weltreligionen nahmen da ihren Anfang.

Dabei hat es das Mittelmeer seinen Bewohnern nie einfach gemacht. Die Landwirt­schaft mühte sich an den größtenteils steilen Küsten mit ihren wenigen, aber um so sumpfigeren Ebenen. Und als fischreich kann man das Meer auch nicht bezeichnen, dafür ist es zu tief und zu alt. Die Stärken lagen woanders:

Mit den über die Jahrhunderte fortschreitenden Kenntnissen im Schiffsbau und der Nautik sowie der damit einhergehenden Entwicklung der Schifffahrt verlor das Mit­telmeer seinen trennenden Charakter und wurde zunehmend zu einem verbindenden Element. „Blütezeiten sind Zeiten des Verbrauchs, der Verschwendung“ sagt der große Historiker Fernand Brau­del. Und so wurde gerade in solchen Blütezeiten der Mittelmeerraum abhängig vom Meer als Transportfläche. Und wer der Herr über die Reichtümer war, der war eigentlich auch immer der Herr über das Meer, den Schatz der Schätze.

Über die Seerouten wurden aber nicht nur Waren, sondern auch neue kulturelle Erfahrungen zwischen den zahlreichen Ländern rund um das Mittelmeer ausge­tauscht. Wie hat es der französische Schriftsteller und mediterrane Geist Jean Giono beobachtet?: „Nicht über das Meer hinweg finden die Austauschbeziehungen statt, sondern mit Hilfe des Meeres. Befände sich an seiner Stelle ein Kontinent, so wäre nichts aus Griechenland nach Arabien gedrungen, nichts Arabisches nach Spanien, aus dem Orient hätte sich nichts in der Provence gefunden und nichts Römisches in Tunis. Aber auf diesem Wasser wechseln sich seit Tausenden von Jahren Mord und Liebe ab, und eine eigene mediterrane Ordnung konnte sich etablieren.“

Und so ist es eigentlich auch heute noch. Das Mittelmeer ist zwar nicht mehr der Mittelpunkt der Welt, seitdem Holländer und Engländer in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts das Zepter in Europa übernahmen und sich mit der Entdeckung Ameri­kas das globale Universum ent­sprechend erweitert hatte. Aber noch immer sind viele der Merkmale und Einflüsse, die für die Entwicklung des mediterranen Raums über die Jahrtausende hinweg entscheidend waren, die gleichen.

Der Verlauf der Ufer, die Topographie und das Klima sowieso. Auch müht sich immer noch der Bauer auf seinen möglicherweise künstlich bewässerten und terrassierten Feldern um Weinstöcke und Olivenbäume, die Kulturpflanzen schlechthin seit jeher am gesamten Mit­telmeer. Und die Fischer kommen nach wir vor am Morgen auf kleinen Kuttern mit kleinen Fängen zurück, zu wenig, um davon zu leben und gezwungen, am Tag mit einem zweiten Beruf dazu zu verdienen.

Aber auch die großen Strukturen haben sich so sehr nicht verändert. Wesentliches Konti­nuum in der mediterranen Welt ist seit Jahrhunderten unverändert ein Gleich­gewicht! Ein Gleichgewicht, gebildet durch die Konfiguration dreier kultureller Ge­meinschaften, dreier großer und dauerhafter Zivilisationen, die sich auch durch Staatsgrenzen nicht haben ein­schränken lassen und ihre grundlegenden Lebensstile, Glaubensweisen und Alltagspraktiken fortführen wie vor Hunderten von Jahren: die christliche Welt, der islamistische Kulturkreis und das griechisch-orthodoxe Univer­sum.

Und eben darin steckt die anhaltende Faszinationskraft des Mittelmeerraums, die den Reisenden genauso wie den Historiker lockt. Sie führt auch heute täglich den an­schaulichen Beweis für die Vielsprachigkeit der Lebensformen, für den Bildungs­prozess kultureller Iden­tität durch Widerspiel und Nachbarschaft, Öffnung und Selbstbehauptung.“