Stille Tage in Alicante

Alicante zeigt sich im März von der entspannten Seite, weder hektisch noch zu laut, wenn man von der Diskothek absieht, die die komplette Samstagnacht den Hafen mitbeschallt. Kein Mensch spricht Englisch – auch nicht im Hafenbüro oder in der Tourist-Info – aber alle sind freundlich und hilfsbereit. Überhaupt hat die Stadt ihren Stolz viel weniger dem Tourismus geopfert als viele andere an der Costa Blanca. Verrentete Engländer in großer Zahl haben wir erst bei einem Kurztrip nach Benidorm angetroffen.

Von der Seeseite wird Alicantes Silhouette geprägt von sehr vereinzelten Hochhäusern, die dafür um so deplatzierter wirken, und natürlich durch den Monte Benacantil. Das ist quasi der Hausberg, gekrönt von einer imposanten Burganlage, dem Castillo de Santa Barbara, die offensichtlich mit Hilfe von EU-Geldern aufs Feinste restauriert wurde inklusive eines Aufzugs durch den Berg für fußfaule Besucher.

Aber auch in Alicante ist die schwierige wirtschaftliche Situation Spaniens allenthalben zu spüren. Kaum ein Gebäude ohne Verkaufsangebote in den Fenstern und viele Menschen versuchen durch den Straßenverkauf von Kleinigkeiten sich ein Zubrot zu verdienen oder bitten gleich um Geld. Der von einem Fastfoodladen angebotene „Krisenburger“ bekommt da schon einen zynischen Beigeschmack.

Einen bodenständigen und sehr fairen Gegenwert bietet die städtische Markthalle. Im oberen Geschoß bieten unendliche Mengen von Metzgern Fleisch in unbeschränkten Variationen an, die untere Ebene gehört den Fischhändlern. Wettbewerb und das wirkliche atemberaubende Angebot sorgen für wirklich günstige Preise und hervorragende Qualität. Wer bereit ist, zwanzig Euro auszugeben und ein bisschen Spaß am Kochen hat, bekommt dafür ein Menü, das im Restaurant wahrscheinlich das Dreifache kostet und nur halb so gut schmeckt.

Der Hafen und die beiden Marinas sind nicht nur im Stadtbild allgegenwärtig, sondern haben auch wichtige wirtschaftliche und soziale Funktionen. Der Real Club de Regatas Alicante, in dem unser Boot und wir lagen, hat ein breites Wassersportangebot vor allem für Jugendliche, das ganz offensichtlich angenommen wird. Währen jeden Tag in morgendlicher Stille nur ein einsamer Asiate auf dem uns gegenüberliegenden Steg seine Tai-Chi Übungen vollzog, war auf den Stegen und Pontons von Mittags bis spät in den Abend ein reges Leben von Ruderern und Paddlern.

Zehn Seemeilen südlich von Alicante liegt Tabarca, die einzige bewohnte Insel im Regierungsbezirk Valencia. Die Einwohnerzahl ist in den letzten Jahren deutlich unter Hundert geschrumpft und dürfte damit den Stand haben, als Tabarca noch als Unterschlupf für Seeräuber diente. In der Saison kommen Tagesbesucher in größerer Zahl, vor allem wegen der naturbelassenen Strände und Buchten. Jetzt im März gehört das Feld unbestritten noch den unzähligen Katzen.

Im Empfang des Real Club de Regatas Alicante hängt ein riesiges Wandbild. Auf dem winken sirenenähnliche Damen den davonziehenden Segelschiffen hinterher. Das merken wir uns und kommen bei Gelegenheit gerne wieder!

 

9 Kommentare
  1. Mike
    Mike sagte:

    Lieber Claus, Lieber Harald,
    nun ist mir klar, weshalb ich etwas zögerlich war mir eure Berichterstattung anzuschauen. Die überwältigende Qualität der Bilder hat auch etwas demütiges. Dennoch wunderbar anzusehen. Mich errinnert das sehr an unsere gemeinsame Reise entlang der Südküste Siziliens. Nach jedem gemeinsamen Ausflug war ich erstaunt wo die wunderbaren Aufnahmen herkamen. Ich hatte schlicht eine trübere Sicht der Dinge. Ihr schafft es „better than real“ das Leben in Szene zu setzen. Oder vieleicht ist es umgekehrt und meine Wahrnehmung ist „worse than real“. Klar ist aber euer Blick hat für mich ein romantischer Zug der mir gut tut. Alles wird gut ! Danke dafür. Mike

  2. Anne
    Anne sagte:

    Hallo Stucky und Claus, endlich kommt ich mal in die Webseite rein. Super Bilder, interessanter Bericht. Lustig fand ich dass keiner Englisch sprechen will, selbst im Tourist-Info. Schoen zu hoeren aber dass alle nett und hilfsbereit sind. Weiterhin viel Spass. Liebe Gruesse Anne

  3. eva
    eva sagte:

    wie schoen, dass es diesmal richtig viele und sehr anschauliche fotos gibt!
    ja, bei dem segelnden fotokurs waere ich gern auch dabei, allerdings muesste die see dann oefters „stillhalten“ als das bei euch der fall ist.

    beim lesen des blogs frage ich mich auch, wie verlaeuft euer tag auf dem boot? bestimmt der wind den ablauf? gibt es immer wieder was gutes zum essen??
    schweigt ihr stundenlang zum rhythmus der wellen? gibt es filosophische gespraeche und manchmal disco-music zum „aufwaermen“ am morgen??
    ich bin gespannt auf eure antwort bzw beschreibung….

    • Harald Stuckmann
      Harald Stuckmann sagte:

      Liebe Eva,
      ein Beitrag zum „Leben an Bord“ ist geplant, aber noch üben wir mit viel Schlaf, gutem Essen und Jazzmusik ;-)

  4. Matti
    Matti sagte:

    Lieber Stucky, vielen Dank für deine Geburtstagswünsche. Ich bin nach einem fünftägigen Festivalbesuch in Lagos/Nigeria jetzt mit Karin, Maia und Moritz in Istanbul zum Urlaub machen. Bei zehn Grad ist es hier gerade mal halb so warm wie in München und die frische Luft weht uns am Bosporus ganz schön um die Ohren, aber die Stadt macht das alles wett mit ihren spannungsvollen Gegensätzen. Wir sind also eigentlich am selben Wasser wie du und Claus in Alicante. Bitte grüß´ ihn ganz herzlich von mir. Ich wünsche euch noch eine spannende Reise. Deine Fotos und Berichte sind toll! Herzlich, dein Matti

    • Claus
      Claus sagte:

      Nicht jedes Foto gab es umsonst. Der Knoblauch-Frau habe ich zunächst ein (leider verdrocknetes) Knoblauchset abgekauft und die Möwe hinterließ einen Klecks auf meinem iPad. Es macht Spaß mit Harald fotografierend die Umgebung zu erkunden. Abends zeigen wir uns dann meist die Ergebnisse und diskutieren sie. Segelnde Fotoschule.

  5. Sibylle
    Sibylle sagte:

    Schöner Bericht und tolle Fotos. Mein Favorit: Stille Gasse auf Tabarca und natürlich „Life is a beach!“
    Siby

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